Der Raritätenladen
»Herr Garland, Herr Abel, Herr Witherden, Sie alle mögen es hören – er tat es! Ich weiß nicht, was ich ihm getan habe, aber hier ist ein Komplott geschmiedet, um mich zu vernichten. Vergessen Sie das nicht, meine Herren, es ist ein Komplott, und was auch dabei herauskommen mag, ich will bis zu meinem letzten Atemzug behaupten, daß er die Note selbst in den Hut getan hat. Sehen Sie ihn an, meine Herren! Sehen Sie, wie er die Farbe wechselt! Wer von uns sieht jetzt wie der Schuldige aus, er oder ich?«
»Hören Sie ihn, meine Herren?« sagte Braß lächelnd, »hören Sie ihn? Nun, kommt es Ihnen nicht so vor, als ob dieser Fall ein böses Gesicht erhielte, nicht? Ist es nach Ihrer Ansicht überhaupt ein Fall von tückischer Hinterlist, oder ist es nur ein gewöhnliches Verbrechen? Sie würden vielleicht auch dies für unmöglich gehalten haben, meine Herren, wenn Sie es nur von mir und nicht aus seinem eigenen Munde gehört hätten – he?«
Mit solchen ruhigen Spottreden wies Herr Braß die schmachvolle Befleckung seines Charakters von sich; aber die tugend
hafte Sara, die von stärkeren Gefühlen beseelt wurde und im Grunde ihres Herzens vielleicht eifersüchtiger auf die Ehre ihrer Familie bedacht war, stürmte ohne weitere Andeutung ihrer Absicht von der Seite ihres Bruders und stürzte in höchster Wut auf den Gefangenen los. Es wäre Kits Gesicht zweifellos schlecht ergangen, wenn nicht der vorsichtige Wachmann, der ihre Absicht erriet, ihn in dem kritischen Augenblicke beiseite gezogen und so Herr Chuckster in eine ziemlich gefährliche Situation gebracht hätte. Denn da dieser Gentleman zufälligerweise der nächste Gegenstand war, an den Miß Braß' Zorn prallte, und bekanntlich Wut ebenso wie Glück und Liebe blind ist, so stürzte die schöne Herzensbändigerin auf ihn los, riß ihm seinen Hemdkragen ganz und gar herunter und zauste ihm tüchtig das Haar, ehe die Anstrengungen der übrigen Gesellschaft ihr den Irrtum begreiflich machen konnten.
Der Beamte, der sich diesen tollen Angriff zur Warnung dienen ließ und vielleicht dachte, daß es dem Zwecke der Gerechtigkeit angemessener sei, wenn der Gefangene ganz als in kleine Stücke zerrissen vor den Richter gestellt werde, führte Kit ohne viel Federlesens zur Mietkutsche zurück und bestand darauf, daß Miß Braß mit dem Bocksitz vorliebnehmen müsse. Auf diesen Vorschlag ging das entzückende Geschöpf nach einem kleinen zornigen Wortwechsel endlich ein und setzte sich auf ihres Bruders Sampson Platz, während Herr Braß mit einigem Widerstreben sich herbeiließ, den ihrigen im Innern des Wagens einzunehmen. Nachdem diese Vorkehrungen beendigt waren, fuhren sie in aller Hast nach dem Gerichtshofe, und der Notar nebst seinen zwei Freunden folgte in einer andern Kutsche. Nur Herr Chuckster wurde zurückgelassen, und zwar zu seiner größten Entrüstung, denn er hielt seine Aussage, daß Kit an dem bestimmten Tage zurückgekommen sei, um den halben Schilling abzudienen, für einen so wesent
lichen Beweis seines scheinheiligen und hinterlistigen Charakters, daß er die Ablehnung dieser Mitteilung für nicht viel besser hielt als ein stillschweigendes Hinweggehen über ein Staatsverbrechen.
In dem Gerichtssaale fanden sie den ledigen Herrn, der sich schnurstracks dahin begeben hatte und sie mit verzweifelter Ungeduld erwartete. Aber nicht fünfzig ledige Herren, zu einem einzigen zusammengeknetet, hätten dem armen Kit helfen können, der eine halbe Stunde später in die Anklageliste eingeschrieben war und auf seinem Wege in das Gefängnis von einem freundlichen Gerichtsdiener die Versicherung erhielt, daß er durchaus keinen Grund zur Niedergeschlagenheit hätte, denn die Sitzungen würden bald beginnen, und dann dürfe er mit großer Wahrscheinlichkeit darauf zählen, daß seine kleine Angelegenheit rasch erledigt und er in weniger als vierzehn Tagen ganz behaglich deportiert sein würde.
Einundsechzigstes Kapitel
Mögen die Moralisten und Philosophen sagen, was sie wollen, jedenfalls fragt es sich sehr, ob ein Schuldiger sich in jener Nacht nur halb so elend gefühlt haben würde wie der unschuldige Kit. Die Welt, die fortwährend eine unerhörte Menge von Ungerechtigkeiten begeht, tröstet sich nur allzugern mit dem Gedanken, daß das Opfer ihrer Beschuldigung und ihrer Bosheit, sofern es nur ein reines Gewissen hat, unmöglich seinen Prüfungen erliegen kann und auf die eine oder die andere Weise endlich zu seinem Rechte gelangen muß, ›in
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