Der Raritätenladen
von ihm, und ich danke ihm herzlich.«
Zweiundsechzigstes Kapitel
Ein mattes Licht, das aus dem Fenster des Kontorhauses auf Quilps Werft blinkte und trübrot durch den Nachtnebel schien, als litte es an einer Augenentzündung, verkündete Herrn Sampson Braß, als er sich mit vorsichtigen Schritten der Holzhütte näherte, daß deren prächtiger Eigentümer, sein hochgeschätzter Klient, drinnen sei und wahrscheinlich mit seinem gewöhnlichen geduldigen und liebenswürdigen Temperament auf die Erledigung des Auftrages wartete, der jetzt Herrn Braß zu dem schönen Besitztum führte.
»Ein heimtückischer Ort, wenn man da im Dunkeln seinen Weg finden soll«, murmelte Sampson, als er zum zwanzigsten Male über zerstreut umherliegendes Gerümpel stolperte und mühsam weiterhinkte. »Ich glaube, der Junge bestreut den Boden jeden Tag anders, um einem Beulen und Verletzungen bei
zubringen – wenn es etwa nicht gar sein Herr eigenhändig tut, was noch wahrscheinlicher ist. Es ist mir in der Seele zuwider, diesen Ort ohne Sally zu besuchen. Sie gewährt mehr Schutz als ein Dutzend Männer.«
Während Herr Braß dem Verdienste der abwesenden Zauberin dieses Kompliment zollte, blieb er stehen, schaute bedenklich auf das Licht und dann über seine Schultern.
»Ich möchte doch wissen, was er jetzt macht!« murmelte der Rechtsgelehrte, indem er sich auf die Zehenspitzen stellte und einen Blick auf die Vorgänge im Hause zu erhaschen suchte, was aus dieser Entfernung unmöglich war. »Vermutlich trinkt er, macht sich noch wilder und wütender und nährt seine Bosheit und seinen Mutwillen, bis sie überkochen. Ich fürchte mich immer, allein hierherzukommen, wenn seine Rechnung ein bißchen hoch angelaufen ist. Ich glaube, er würde sich nicht viel daraus machen, mich zu erdrosseln und sanft in den Fluß hinabgleiten zu lassen, wenn die Flut am höchsten ist; nicht mehr, als er sich daraus machen würde, eine Ratte totzuschlagen. Ich bin mir wahrhaftig nicht einmal sicher, ob er es nicht als einen lustigen Scherz betrachten würde. Horch! Jetzt singt er!«
Herr Quilp unterhielt sich allerdings durch musikalische Übungen; doch klangen sie eher wie ein Kirchengesang als wie ein Lied, da sie nur aus einem einzigen, monoton wiederkehrenden Satz bestanden, der, mit Ausnahme des letzten, langgedehnten Wortes, ungemein rasch abgeleiert wurde. Dieses letzte Wort schwoll zu einem grausigen Brüllen an. Auch bezog sich der Text weder auf Liebe, Krieg, Wein, ritterliche Ergebenheit oder sonstige stereotype Themen für Lieder, sondern auf einen Gegenstand, der nicht oft in Musik gesetzt oder von Dichtern behandelt wird. Die Worte lauteten folgendermaßen: ›Der würdige Magistrat bemerkte, der Gefangene würde
einige Schwierigkeit darin finden, eine Jury zu bereden, daß sie an sein Märchen glaube, und entschied sodann, daß er bei den nächsten Gerichtssitzungen einem Verhör unterzogen werde, und befahl, daß man sofort die üblichen schriftlichen Verpflichtungen erledige behufs der An-kla-ge.‹
Sooft Quilp zu diesem Schlußworte kam und seine äußerste Kraft auf dessen Betonung verwendete, brach er in ein gellendes Gelächter aus und fing wieder von vorn an.
»Er ist schrecklich unklug«, murmelte Braß, nachdem er zwei oder drei Wiederholungen dieses Kantus angehört hatte, »fürchterlich unklug. Ich wünschte, er wäre stumm. Ich wünschte, er wäre taub. Ich wünschte, er wäre blind. Zum Henker mit ihm«, rief Braß, als der Gesang abermals begann, »ich wünschte, er wäre tot!«
Diesem Stoßgebetlein im Interesse seines Klienten Luft machend, gab Herr Sampson seinem Gesicht den gewohnten glatten Ausdruck, wartete, bis der gellende Ruf wiederkam und verhallte, trat an die hölzerne Hütte und pochte.
»Herein!« rief der Zwerg.
»Wie befinden Sie sich heute abend, Sir?« fragte Sampson hineinguckend. »Ha ha ha! Wie geht es Ihnen, Sir? O du meine Güte, wie seltsam! Ganz außerordentlich seltsam, mein Wort darauf!«
»Komm herein, du Narr«, entgegnete der Zwerg, »und steh nicht dort so kopfschüttelnd und zähnefletschend. Komm herein, du falscher Zeuge, du Meineidiger, du Zeugenfabrikant! Komm herein!«
»Er hat den köstlichsten Humor!« rief Braß, indem er die Tür hinter sich schloß; »die bewundernswürdigste komische Ader! Aber ist es nicht etwas unüberlegt, Sir …?«
»Was?« fragte Quilp, »was, du Judas?«
»Judas!« rief Braß. »Er ist außerordentlich aufgeräumt! Sein
Humor ist so ungemein
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