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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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unterhaltend! Judas! O ja – du mein Himmel, ausgezeichnet! Ha ha ha!«
    Die ganze Zeit über rieb Sampson seine Hände und stierte mit drolligem Erstaunen und Grauen auf die große, glotzäugige, stumpfnasige Bugfigur eines alten Schiffes, die in einer Ecke bei dem Ofen gegen die Wand aufgepflanzt war und wie ein Kobold oder ein häßlicher Götze aussah, den der Zwerg anbetete. Eine Holzmasse auf dem Kopf, die so geschnitzt war, daß sie eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Dreimaster hatte, das Zeichen eines Sternes auf der rechten Brust und Epauletten auf den Schultern verkündeten, daß die Figur irgendeinen berühmten Admiral vorstellen sollte. Ohne diese Behelfe jedoch hätte sie der Beschauer wohl für das authentische Bild eines hervorragenden Tritonen oder eines riesigen Seeungeheuers halten müssen.
    Da es ursprünglich zu groß für das Gemach gewesen, dem es jetzt zur Zierde dienen sollte, war es hart über den Lenden abgesägt worden. Aber auch jetzt noch reichte es von dem Boden bis an die Decke, und indem es sich mit jenen weit offenen Augen und der Miene einer etwas zudringlichen Höflichkeit, die Baufiguren gewöhnlich charakterisieren, vorbeugte, schien es seine ganze Umgebung auf die reinsten Liliputanermaße herabzudrücken.
    »Kennen Sie es?« fragte der Zwerg, Sampsons Gesicht scharf beobachtend. »Bemerken Sie die Ähnlichkeit?«
    »Eh?« versetzte Braß, den Kopf auf die eine Seite neigend und ihn etwas zurückwerfend, wie Kenner zu tun pflegen. »Wenn ich es recht betrachte, so kommt es mir vor, als sehe ich ein – ja gewiß, es erinnert mich etwas in diesem Lächeln an – und doch, auf mein Wort, ich …«
    Nun hatte aber Sampson tatsächlich nie etwas gesehen, das auch nur im geringsten eine Ähnlichkeit mit diesem verkör
perten Phantom gehabt hätte, und war in der größten Verlegenheit; denn er konnte ja nicht wissen, ob Quilp es nicht als sein eigenes gelungenes Konterfei betrachtete und es daher als Familienporträt erstanden oder ob er gern eine Ähnlichkeit mit einem seiner Feinde in den Zügen erblickte. Er blieb jedoch nicht lange im Zweifel; denn während er den Rumpf mit jenem sachkundigen Blicke betrachtete, den Leute anzunehmen pflegen, wenn sie zum ersten Male ein Porträt sehen, das sie erkennen sollen, aber keine Ahnung davon haben, wen es vorstellt, warf der Zwerg die Zeitung beiseite, aus der er die bereits angeführten Worte gesungen hatte, und indem er eine rostige Eisenstange ergriff, die er sonst als Schüreisen benutzte, versetzte er der Figur einen solchen Streich auf die Nase, daß sie hin und her wankte.
    »Sieht es nicht Kit gleich, ist es nicht sein Ebenbild, sein Porträt, er selbst?« rief der Zwerg, indem er einen Schauer von Schlägen auf das empfindungslose Gesicht niederfallen ließ und es mit tiefen Löchern bedeckte. »Ist es nicht das genaue Modell und Konterfei dieses Hundes, nicht – nicht – ist es nicht?«
    Und bei jeder Wiederholung dieser Frage wetterte er auf die riesige Figur los, bis ihm infolge der heftigen Anstrengung der Schweiß über das Gesicht rann.
    Obgleich dies von einer sicheren Galerie aus sehr komisch anzusehen gewesen sein dürfte, wie etwa ein Stiergefecht ein behagliches Schauspiel ist für diejenigen, die sich nicht in der Arena befinden, oder ein brennendes Haus denen, die nicht in der Nähe wohnen, ergötzlicher vorkommt als eine Komödie, so lag doch etwas in dem Ernst, mit dem Quilp sein Treiben begleitete, das seinen Rechtsfreund das Haus zu klein und zu einsam empfinden ließ, als daß man diesen Witzen gebührenden Geschmack abgewinnen könnte. Er zog sich also, wäh
rend der Zwerg in dieser Weise beschäftigt war, so weit als möglich zurück, gab seinen Beifall nur durch winselnde Laute zu erkennen, und als der andere endlich aus purer Erschöpfung aufhörte und sich niedersetzte, näherte er sich ihm unterwürfiger als je.
    »Vortrefflich, in der Tat!« rief Braß. »Hi hi! Oh, sehr gut, Sir! Wissen Sie«, fügte Sampson hinzu, indem er sich umwandte, als wollte er den zerlöcherten Admiral anreden, »er ist ein ganz merkwürdiger Mann – äußerst merkwürdig!«
    »Setzen Sie sich«, sagte der Zwerg. »Ich kaufte den Wicht gestern. Ich habe Löcher in ihn gebohrt, Gabeln in seine Augen gestochen und meinen Namen eingeschnitten. Ich gedenke ihn schließlich zu verbrennen.«
    »Ha ha!« rief Braß, »wirklich unglaublich lustig!«
    »Kommen Sie her!« sagte Quilp, indem er ihn näher heranwinkte. »Was ist

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