Der Raritätenladen
natürlich recht viel getan!« entgegnete Quilp. »Habe ich dir nicht gesagt, du sollest mich nicht zu oft mit der Tür knarren lassen? Ein Glück für dich, daß ihre Worte mir den nötigen Schlüssel gaben; denn
wäre das nicht der Fall gewesen, so hättest du mirs entgelten sollen – das kann ich dir sagen!«
Da Frau Quilp hiervon vollkommen überzeugt war, gab sie keine Antwort. Ihr Gatte fügte mit einem Frohlocken hinzu:
»Du magst es übrigens deinen glücklichen Sternen danken – denselben Sternen, die dich zur Frau Quilp gemacht haben –, du magst es ihnen danken, daß ich dem alten Herrn auf der Fährte bin und daß mir ein neues Licht aufgegangen ist. Ich will daher nichts mehr von der Sache hören, weder jetzt noch ein andermal; auch brauchst du nichts besonders Gutes fürs Mittagessen zu bereiten, denn ich komme nicht nach Hause.«
Mit diesen Worten setzte Herr Quilp seinen Hut auf und entfernte sich, während Frau Quilp, über die Maßen betrübt bei der Erinnerung an die Rolle, die sie eben gespielt hatte, sich in ihre Kammer einschloß, den Kopf in die Polster vergrub und bitterlicher ihren Fehler beweinte, als viele weniger weichherzige Personen über ein weit größeres Vergehen getrauert haben würden, denn in den meisten Fällen ist das Gewissen ein gar elastischer und biegsamer Gegenstand, der sich ziemlich strecken und den verschiedensten Verhältnissen anpassen läßt. Manche Leute bringen es durch ein weises Verhalten mit der Zeit so weit, daß sie das Gewissen ganz entbehren können, indem sie es stückweise – wie Flanellwäsche bei warmem Wetter – ablegen. Aber es gibt auch andere, die dieses Gewand nach Belieben an- und ablegen können; begreiflicherweise ist diese Art von Akkommodation, als die behaglichere, am meisten an der Tagesordnung.
Siebentes Kapitel
»Fritz«, sagte Herr Swiveller, »erinnere dich an das einst so beliebte Lied: ›Verscheuchet jetzt die Grillen‹; fache die erlöschende Flamme der Heiterkeit mit dem Fittich der Freundschaft an, und laß den rosigen Wein umhergehen.«
Herrn Swivellers Appartements befanden sich in der Nähe von Drury-Lane und hatten außer dieser bequemen Lage auch noch den Vorteil, sich über einem Tabakladen zu befinden, so daß der Mieter imstande war, seinen verehrten Korpus, wenn er es wünschte, durch ein fröhliches Niesen zu erleichtern, indem er bloß in den Gang zu treten brauchte, um sich eine Prise zu holen, wodurch ihm die Kosten und die Mühe, eine Schnupftabaksdose zu führen, erspart blieben. In diesen Appartements war es, wo Herr Swiveller die gedachten Ausdrücke des Trostes und der Ermunterung bei seinem verzagenden Freunde in Anwendung brachte; und es ist wohl nicht unpassend zu bemerken, daß sogar dieses kurze Zitat in einem doppelten Sinne Herrn Swivellers figürlichen und poetischen Charakter bezeichnete, da in Wahrheit der rosige Wein durch ein Glas kalten Grogs repräsentiert wurde, den man gelegentlich aus einer Flasche und einem Kruge auf dem Tisch ergänzte. Er wanderte in Ermangelung zweier Gläser von einer Hand zur andern, wie man wohl ohne Erröten zugestehen darf, sintemal ein solcher Umstand einer Junggesellenwirtschaft – denn die des Herrn Swiveller war eine solche – nicht zum Vorwurf gereichen kann. Infolge einer gleich angenehmen Fiktion wurde seines einzigen Zimmers immer in der Mehrzahl gedacht. Als es noch unbewohnt war, hatte es der Tabakskrämer in seinem Fenster als »Appartements« für einen einzelnen Herrn bezeichnet, und Herr Swiyeller, der sich diesen Wink zunutze machte, ermangelte nie, davon als von seinen Zimmern, seinen Gelas
sen und dergleichen zu reden und somit den Zuhörern Begriffe von einem unbegrenzten Raum beizubringen, indem er es ihrer Einbildungskraft überließ, nach Gefallen durch Reihen hoher Hallen zu wandern.
In dieser phantastischen Illusion wurde Herr Swiveller durch ein täuschendes Möbelstück unterstützt, das in Wirklichkeit eine Bettstatt, dem äußern Anscheine nach aber ein Bücherschrank war und eine so augenfällige Stellung in seinem Gemach einnahm, daß es allem Verdacht Hohn zu sprechen und die Untersuchung herauszufordern schien. Auch unterliegt es keinem Zweifel, daß Herr Swiveller bei Tage fest daran glaubte, dieses geheimnisvolle Dekorationsstück sei nichts anderes als ein Bücherschrank, und um keinen Preis sich eingestehen wollte, daß es ein Bett sei, fest entschlossen, das Vorhandensein von Leintüchern und Decken zu ignorieren und die
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