Der Raritätenladen
Kissen absolut nicht zu kennen. Kein Wort über seinen wahren Zweck, kein Hinweis auf seinen nächtlichen Dienst, keine Anspielung auf seine besondern Eigentümlichkeiten waren je zwischen ihm und seinen intimsten Freunden gewechselt worden. Unbedingter Glaube an diese Täuschung war der erste Artikel seines Credos; um Herrn Swivellers Freund zu sein, mußte man alle Indizienbeweise, alle Vernunft, alle Beobachtung und alle Erfahrung verwerfen und sich einem blinden Glauben an den Bücherschrank hingeben. Es war nun einmal seine Lieblingsschwäche, die er hegte und pflegte.
»Fritz«, sagte Herr Swiveller, als er fand, daß seine frühere Beschwörung keine Wirkung hervorgebracht hatte, »laß den Rosigen kreisen!«
Der junge Trent schob ihm das Glas mit einer ungeduldigen Gebärde hin und verfiel wieder in seine trübsinnige Haltung, aus der er wider Willen geweckt worden war.
»Ich will dir einen kurzen Toast bringen, Fritz«, fuhr sein
Freund fort, indem er die Mischung umrührte, »wie es für die Gelegenheit paßt. Wir haben im Mai …«
»Brr!« unterbrach ihn der andere. »Du bringst mich um mit deinem Plappern. Freilich, du kannst unter allen Umständen heiter sein!«
»Je nun, mein verehrter Trent«, entgegnete Dick, »es gibt ein Sprichwort über das Heitersein und Weisesein. Manche Leute sind heiter ohne Weisheit, und andere sind weise oder glauben es wenigstens zu sein, ohne heiter sein zu können. Ich gehöre zu der ersten Sorte. Wenn das Sprichwort wahr ist, so scheint es mir geeigneter, es mit der Hälfte als mit gar nichts zu halten; jedenfalls bin ich lieber heiter und nicht weise als so ein Kerl wie du, der keins von beiden ist.«
»Possen!« murmelte sein Freund verdrießlich.
»Ei, meinetwegen«, sagte Herr Swiveller. »Freilich glaube ich, daß man in feinen Zirkeln etwas derart nicht zu einem Gentleman in seinen eigenen Appartements zu sagen pflegt; doch gleichviel. Tu, als wenn du zu Hause wärst!«
Indem Herr Swiveller dieser Entgegnung eine Bemerkung beifügte des Inhalts, daß sein Freund in einer etwas »ruppigen« Stimmung zu sein scheine, machte er dem Rosigen den Garaus und verhalf sich zu einem andern Glas voll derselben Mischung, mit dem er, nachdem er es mit großem Wohlbehagen gekostet hatte, vor einer eingebildeten Gesellschaft einen Toast ausbrachte.
»Meine Herren, ich trinke mit Ihrer Genehmigung auf das gute Glück der alten Familie Swiveller und auf die Gesundheit des Herrn Richard, insbesondere – des Herrn Richard, meine Herren«, fügte Dick mit großem Nachdruck hinzu, »der all sein Geld für seine Freunde ausgibt und durch den liebenswürdigen Ausdruck ›Possen‹ dafür belohnt wird. Hört! Hört!«
»Dick!« sagte der andere, zu seinem Sitze zurückkehrend, »willst du nur einige Minuten deinen Ernst zusammennehmen, wenn ich dir einen Weg zeige, wie du mit sehr wenig Mühe dein Glück machen kannst?«
»Du hast mir schon so viele gezeigt«, erwiderte Dick, »und nie ist etwas anderes dabei herausgekommen als eine leere Tasche …«
»Du wirst von diesem anders sprechen, und zwar in sehr kurzer Zeit«, sagte sein Gefährte, indem er den Stuhl näher an den Tisch zog. »Du hast meine Schwester Nell gesehen?«
»Was ists mit ihr?« versetzte Dick.
»Sie hat ein hübsches Lärvchen, nicht wahr?«
»Ei gewiß«, entgegnete Dick. »Ich muß ihr nachrühmen, daß keine besonders starke Familienähnlichkeit zwischen dir und ihr obwaltet!«
» Hat sie ein hübsches Gesicht?« wiederholte sein Freund ungeduldig.
»Ja«, sagte Dick, »sie hat ein hübsches Gesicht – ein sehr hübsches Gesicht. Doch, was willst du damit?«
»Laß dir sagen«, erwiderte sein Freund, »es liegt auf der Hand, daß der alte Mann und ich bis an unser Lebensende Todfeinde bleiben werden und daß ich nichts von ihm zu erwarten habe. Vermutlich siehst du das ein?«
»Eine Fledermaus könnte das beim Sonnenschein sehen«, sagte Dick.
»Ebenso klar ist, daß das Geld, das der alte Filz – mögen ihn die Würmer fressen – mir nach seinem Tode zur Hälfte in Aussicht stellte, ganz an sie fallen wird. Ists nicht so?«
»Ich möchte es fast glauben«, entgegnete Dick, »wenn nicht die Art, wie ich ihm den Fall zu Gemüte führte, einen Eindruck auf ihn gemacht hat, was recht wohl möglich wäre. Ich habs ihm kräftig gegeben, Fritz. Da ist ein ›jovialer, alter
Großvater‹ – das war stark, sollte ich meinen – sehr freundlich und natürlich. Ists dir nicht auch so
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