Der Raritätenladen
alte Mann und das Kind wandelten durch das heitere Schweigen, von Hoffnung und Freude gehoben. Sie waren wieder einmal miteinander allein; alles war glänzend und frisch; nichts erinnerte sie anders als durch den Gegensatz an die frühere Eintönigkeit und den Zwang, den sie verlassen hatten; Kirchen und Kirchtürme, sonst so düster und finster blickend, leuchteten und blitzten in der Sonne; selbst der niedrigste Winkel freute sich des Lichtes, und der Himmel in seinem tiefen Blau goß sein gefälliges Lächeln über alles unter ihm.
Die zwei armen Abenteurer verließen die schlummernde Stadt und zogen weiter, ohne zu wissen wohin.
Dreizehntes Kapitel
Daniel Quilp von Tower Hill und Samson Braß von Bevis Marks in der City von London, Gentleman und einer von Ihrer Majestät Anwälten von Kings Bench und Common Pleas zu Westminster, zugleich auch Advokat bei dem hohen Kanzleigerichtshof, schliefen bewußtlos und ohne etwas Arges zu ahnen, bis ein Klopfen an der Haustür – das sich oft wiederholte und von einem bescheidenen, einzelnen Schlage allmählich sich zu einer vollkommenen Batterie, alle Augenblicke in langen Salven abgefeuert, steigerte – genannten Daniel Quilp veranlaßte, sich in eine horizontale Lage emporzuarbeiten und die Zimmerdecke mit einer schläfrigen Gleichgültigkeit anzustieren, welche bekundete, daß er den Lärm hörte und etwas verwundert darüber war, ohne daß er sich übrigens die Mühe nehmen mochte, der Sache größere Aufmerksamkeit zu widmen.
Da jedoch das Klopfen, statt sich der Schläfrigkeit des Zwerges anzupassen, immer zunahm und aufdringlicher wurde, als wollte es gegen sein Wiedereinschlafen, nachdem er einmal seine Augen geöffnet hatte, ernstliche Gegenvorstellungen machen, dämmerte Daniel Quilp der Gedanke, daß möglicherweise jemand an der Tür sein könnte. Außerdem erinnerte er sich auch nach und nach, daß es Freitag morgen sei und daß er Frau Quilp befohlen habe, ihm in aller Frühe ihre Aufwartung zu machen.
Herr Braß war, nach vielem Recken und Drehen in den sonderbarsten Stellungen, gleichfalls aufgewacht und schnitt fürchterliche Fratzen, wie einer, der unreife Stachelbeeren gegessen hat, und da er bemerkte, daß Herr Quilp sich in seine Werktagskleider warf, so beeilte er sich, ein ähnliches zu tun, wobei er übrigens seine Schuhe vor den Strümpfen anzog, seine Beine in die Rockärmel steckte und noch viele ähnliche kleine Toilettenmißgriffe beging, wie sie nicht selten bei Leuten vorkommen, die sich hastig ankleiden wollen und unter der Aufregung eines plötzlich unterbrochenen Schlafes leiden.
Während der Advokat so beschäftigt war, tastete der Zwerg unter dem Tisch herum und murmelte verzweifelte Verwünschungen über sich selbst, über das ganze menschliche Geschlecht im allgemeinen und alle seelenlosen Gegenstände obendrein, wodurch sich Herr Braß zu der Frage veranlassen ließ, was es gäbe.
»Der Schlüssel«, sagte der Zwerg mit einem maliziösen Blicke auf den Rechtsgelehrten, »der Türschlüssel – das ists, was es gibt! Wissen Sie nichts davon?«
»Wie sollte ich auch etwas davon wissen, Sir?« entgegnete Herr Braß.
»Wie sollten Sie?« wiederholte Quilp mit einem Hohnla
chen. »Sie sind mir ein sauberer Rechtsgelehrter – he! Sie Idiot, Sie!«
Ohne dem Zwerg in seiner augenblicklichen üblen Laune darüber Vorstellungen machen zu wollen, daß das Verschleudern eines Schlüssels durch eine andere Person kaum irgendwie mit seiner Gesetzeskunde in Verbindung stehe, bemerkte Herr Braß nur ganz demütig, daß man ihn wahrscheinlich abzuziehen vergessen habe und daß er ohne Zweifel zur Zeit in seinem Schlüsselloch stecke.
Obgleich Herr Quilp stark vom Gegenteil überzeugt war, weil er sich erinnerte, ihn sorgfältig abgezogen zu haben, ließ er sich doch herbei, eine solche Möglichkeit zuzugeben, und ging daher brummend zur Tür, in der er ihn auch richtig stecken fand.
In dem Augenblicke, als Herr Quilp seine Hand auf das Schloß legte und mit großem Erstaunen sah, daß die Riegel zurückgeschoben waren, begann das Klopfen aufs neue mit höchst empörender Gewalttätigkeit, und das Tageslicht, das durch das Schlüsselloch schien, wurde von außen durch ein menschliches Auge abgehalten. Der Zwerg war ungemein schlecht gestimmt, und da er jemand brauchte, gegen den er seine Laune losbrechen lassen konnte, entschloß er sich, plötzlich hinauszustürzen und Frau Quilp für die Aufmerksamkeit, einen so abscheulichen Lärm zu
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