Der Raritätenladen
Du Närrin!« sagte der Zwerg.
»Ich versichere dir, Quilp«, entgegnete sein bebendes Weib, »daß ich in allen Gemächern war und keine Seele darin gefunden habe.«
»Und das wird wohl das Geheimnis mit dem Schlüssel erklären!« rief Herr Braß, nachdrücklich seine Hände zusammenschlagend.
Quilp warf zuerst diesem, dann seinem Weibe und endlich Richard Swiveller einen finstern Blick zu; da ihm aber all dies zu keiner Aufklärung verhalf, eilte er die Treppe hinauf und kehrte bald wieder zurück, um die von seinem Weibe gemachte Angabe zu bestätigen.
»Das ist eine wunderliche Weise, sich zu empfehlen«, sagte er, Swiveller ansehend; »gewiß sehr auffallend, nichts davon einem so nahen und treuen Freunde, wie ich bin, mitzuteilen! Doch, er wird mir ohne Zweifel schreiben oder Nelly an mich schreiben lassen – ja, ja, so wirds sein. Nelly hat mich sehr gern, die hübsche Nell!«
Herr Swiveller stand erstaunt und mit offenem Munde da. Quilp blickte verstohlen nach ihm hin, während er sich Herrn Braß zuwandte und mit affektierter Gleichgültigkeit bemerkte, daß dieser Zwischenfall mit dem Wegführen des Hausrates gar nichts zu tun hätte.
»Wir wußten ja«, fügte er hinzu, »daß sie heute gehen wür
den, glaubten nur nicht, daß es so zeitig früh und so klanglos geschähe. Doch sie werden ihre Gründe haben, sie werden ihre Gründe haben.«
»Und wo sind sie denn in des Teufels Namen hin?« fragte der verwunderte Dick.
Quilp schüttelte den Kopf und warf die Lippen in einer Weise auf, die andeuten sollte, daß er es recht wohl wisse, aber nicht sagen dürfe.
»Und was«, fuhr Dick fort, indem er auf die Verwirrung in dem Laden schaute, »was wollen Sie mit dem Wegführen des Hausrates sagen?«
»Daß ich ihn gekauft habe, Sir«, entgegnete Quilp. »He? und was weiter?«
»So hat also der schlaue alte Fuchs seine Habe zusammengerafft und ist fort, um in einer ruhigen Hütte irgendwo an einem lieblichen Plätzchen zu leben, von dem aus er auf das ewig wechselnde Meer hinaussehen kann!« sagte Dick in großer Verblüffung.
»Und hält dabei den Ort seiner Zurückgezogenheit so geheim, damit er nicht so oft von seinen zärtlichen Enkeln und deren ergebenen Freunden besucht werde, he?« fügte der Zwerg mit kräftigem Händereiben bei. »Ich will nichts sagen, aber ist das nicht Ihre Meinung, Sir?«
Richard Swiveller war ganz entsetzt über diesen unerwarteten Wechsel der Verhältnisse, der das Projekt, in dem er eine so bedeutsame Rolle spielen sollte, durchaus zu vernichten drohte und seine Aussichten im Keime zu ersticken schien. Da er erst gestern nacht spät durch Frederick Trent Nachricht von des alten Mannes Krankheit erhalten hatte, so wollte er alsbald einen Kondolenzbesuch abstatten und Nell ausfragen, wohl ausgerüstet mit der ersten Abschlagszahlung jener langen Reihe von Liebeszaubern, die endlich ihr Herz in Brand
stecken sollten. Und jetzt, nachdem er über alle möglichen Manieren einer graziösen und gewinnenden Annäherung nachgedacht hatte und über die schreckliche Wiedervergeltung mit sich zu Rate gegangen war, die langsam über Sophia Wackles hereinbrach, jetzt waren Nelly und der alte Mann samt all dem vielen Gelde fort, weggeschmolzen, ausgewandert, er wußte nicht wohin – ganz als hätten sie den Plan vorausgewußt und sich entschlossen, ihn im Beginn, noch ehe ein Schritt getan war, zu vereiteln.
Daniel Quilp war in dem Innersten seines Herzens über diese Flucht ebenso überrascht wie beunruhigt. Es war seinem scharfen Auge nicht entgangen, daß einige unentbehrliche Kleidungsstücke mit den Flüchtlingen abhanden gekommen waren, und da er den schwachen Geisteszustand des alten Mannes kannte, so war er nicht wenig verwundert, wie er es wohl angefangen haben mochte, die Einwilligung des Kindes so leicht zu erlangen. Man würde Herrn Quilp großes Unrecht tun, wenn man glauben wollte, daß ihn irgendeine uneigennützige Sorge um einen der beiden gequält hätte. Seine Unruhe entsprang nur der Vermutung, der alte Mann habe wohl noch einen geheimen Geldvorrat besessen, von dem er nichts geahnt, und schon der Gedanke, daß dieser seinen Krallen entwischt sei, erfüllte ihn mit Verdruß und Selbstvorwürfen.
In dieser Gemütsstimmung gewährte es ihm einigen Trost, als er fand, daß Richard Swiveller aus ganz andern Gründen zwar, aber augenscheinlich über denselben Vorfall gereizt und enttäuscht war. Es lag auf der Hand, so dachte der Zwerg, daß er wegen seines
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