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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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für ein Interesse an euch nehme. Warum erzähltest du mir nicht eure kleine Lebensgeschichte – ich meine die deinige und die des alten Herrn? Ich kann euch besser raten als irgend jemand und interessiere mich so sehr für euch – oh, viel mehr als Short! Ich glaube gar, sie brechen jetzt unten auf; du brauchst natürlich Short nichts von dem zu sagen, was wir da miteinander geplaudert haben. Gott behüte dich! Vergiß nicht, daß Codlin, nicht Short, der Freund ist. Short ist zwar im großen und ganzen nicht übel, aber der eigentliche, wahre Freund ist Codlin, nicht Short.«
    Nachdem Thomas Codlin diese Versicherungen noch mit einer Anzahl wohlwollender und beschützender Blicke ausgestattet und dabei in seinem Benehmen eine große Wärme an den Tag gelegt hatte, stahl er sich auf den Zehenspitzen fort und ließ das Kind in einem Zustande der äußersten Überraschung zurück. Sie dachte noch immer über dieses sonderbare Benehmen nach, als die gebrechlichen Treppen unter den Fuß
tritten der andern Wanderer knarrten, die sich zu Bett begaben. Als sie alle vorbei waren und der Schall der Tritte verklungen war, kehrte einer von ihnen um, und nach einigem Zögern und Rascheln auf dem Flur, als wisse er nicht recht, an welcher Tür er klopfen solle, pochte er an Nells Tür.
    »Nun?« fragte das Kind von innen.
    »Ich bin es, Short«, rief eine Stimme durch das Schlüsselloch. »Ich wollte nur sagen, daß wir morgen sehr früh aufbrechen müssen, meine Liebe; denn wenn wir den Hunden und dem Hexenmeister keinen Vorsprung abgewinnen, werden die Dörfer keinen Penny wert sein. Ihr werdet doch ganz bestimmt auch sehr zeitig aus den Federn kriechen und mitkommen? Ich werde euch wecken.«
    Das Kind gab eine bejahende Antwort und erwiderte sein gute Nacht, worauf sie ihn hinwegschleichen hörte. Ihr verursachte die Besorgtheit der beiden Männer einiges Bangen, das noch erhöht wurde, als sie daran dachte, wie die beiden unten miteinander geflüstert hatten und wie sie einigermaßen verwirrt waren, als sie plötzlich erwachte. Auch konnte sie sich des Verdachtes nicht erwehren, daß sie hier nicht gerade auf die passendste Reisegesellschaft gestoßen wären. Diese Unruhe stand jedoch in gar keinem Verhältnis zu ihrer großen Übermüdung, und sie vergaß sie bald in ihrem Schlummer.
    Short erfüllte mit dem frühesten Morgen sein Versprechen, klopfte leise an die Tür des Mädchens und bat sie, gleich aufzustehen, da der Eigentümer der Hunde noch schnarche; wenn sie keine Zeit verlören, könnten sie sowohl ihm als dem Hexenmeister, der eben jetzt im Schlafe rede und nach dem, was man hören könne, wahrscheinlich in seinen Träumen einen Esel balanciere, einen hübschen Vorsprung abgewinnen. Sie sprang, ohne zu zögern, aus ihrem Bette und weckte den alten Mann mit solcher Eile, daß sie ebensobald als Short
selbst reisefertig waren, zur unaussprechlichen Zufriedenheit und Beruhigung dieses Herrn.
    Nach einem sehr formlosen und hastigen Frühstück, dessen hauptsächlichste Bestandteile Speck, Brot und Bier waren, verabschiedeten sie sich von dem Wirte und verließen die Schwelle der ›Lustigen Sandbuben‹. Der Morgen war schön und warm, der Boden nach dem letzten Regen für die Füße abgekühlt, die Hecken prangten in einem heitern Grün, die Luft war klar, und alles strotzte von Frische und Gesundheit. Unter so belebenden Einflüssen ging es vergnüglich genug vorwärts.
    Sie waren noch nicht sehr weit gekommen, als das Kind abermals durch das veränderte Benehmen des Herrn Thomas Codlin beunruhigt wurde, der, statt wie früher verdrießlich für sich allein dahinzutrotten, fortwährend in ihrer unmittelbaren Nähe blieb und ihr, sooft er sie ansehen konnte, ohne daß es sein Gefährte bemerkte, durch Grimassen und krampfhafte Kopfbewegungen zu verstehen gab, sie solle dem Short nicht trauen, sondern alles Vertrauen für Codlin aufbewahren. Er ließ es jedoch nicht bei Blicken und Gebärden bewenden; denn wenn sie und ihr Großvater an der Seite Shorts gingen und dieser kleine Mann in seiner gewohnten Lebhaftigkeit über verschiedene gleichgültige Gegenstände sprach, legte Thomas Codlin seine Eifersucht und seinen Argwohn dadurch an den Tag, daß er ihr auf den Fersen folgte und hin und wieder ihren Knöcheln mit den Beinen des Policinellokastens eine plötzliche und schmerzliche Ermahnung zukommen ließ.
    Ein solches Benehmen machte natürlich das Kind noch aufmerksamer und argwöhnischer, und sie bemerkte

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