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Der Rat der Zehn

Titel: Der Rat der Zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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schlängelte. Die Glastrennwand war hochgekurbelt, und die Fenster waren so dunkel, daß er sich selbst wie in einem Sarg fühlte. Der Brief war ordentlich getippt. Drew nahm jedes Wort in sich auf und glaubte dabei die Stimme seiner Großmutter zu hören, die sanft in sein Ohr flüsterte.
    Andy …
    Ich arbeite jetzt seit Tagen an diesem Brief. So oft habe ich ihn zusammengeknüllt und neu begonnen. Vielleicht sollte ich auch diesen Entwurf vernichten und Dir die Wahrheit ersparen.
    Aber Du mußt die Wahrheit kennen, weil ich fürchte, daß das, worin ich verwickelt bin, sich irgendwie ausweiten und Dich zerstören könnte, so wie es mich zerstört hat. Ich bin zum jetzigen Zeitpunkt eine außerordentlich wohlhabende Frau, was Dich zu einem außerordentlich wohlhabenden Mann macht. Ich habe Dich hinsichtlich des Treuhandfonds Deines Großvaters belogen; es hat nie einen gegeben. Sam war nie ein großer Geschäftsmann und hätte nie eine solche Weitsicht aufgebracht, selbst wenn er das Geld gehabt hätte. Aber nichts davon ist wichtig für Dich. Wichtig ist allein, daß ich versucht habe, mit welchen Mitteln auch immer, Deine Zukunft zu sichern.
    Wie froh wäre ich, Dir dies nicht schreiben zu müssen … Andy, die letzten fünf Jahre haben ich und die anderen Großmütter, die Du ja kennst, als Kokainschmuggler gearbeitet. All die Trips nach Nassau waren nur die Fassade für uns, um Lieferungen entgegenzunehmen und sie in die Staaten zu bringen. Ich würde nie sagen, daß ich das guthieß, was ich tat, aber ich wollte das Geld haben, das damit zu verdienen war.
    Dann, vor kurzem, begannen die Schuldgefühle. Wahrscheinlich entwickelten sie sich über eine lange Zeitperiode, aber so richtig durchgedrungen sind sie erst in den letzten Monaten. All diese Kinder, deren Leben durch die Substanz ruiniert wurde, die ich half, in das Land zu bringen. Ich war nur ein kleines Rädchen im Getriebe, aber immerhin ein Teil des Ganzen. Ich nahm jede tragische Geschichte, die in den Nachrichten gebracht wurde, persönlich. Es begann mich aufzufressen. Ich mußte es wiedergutmachen.
    Ich ging zur DEA, Andy, zu einem Agenten namens Sam Masterson. Meine einzige Bedingung, ihm zu helfen, war, daß die anderen Großmütter herausgehalten wurden. Sein Plan war, dem Kokain von dem Zeitpunkt an zu folgen, zu dem wir es hereinbrachten, die ganze Leiter hoch. Er versicherte mir, alles sei Routine, versprach mir Schutz.
    Falls Du dies liest, heißt das, daß der Schutz nicht ausreichte, daß die Leute, für die ich arbeitete, Rache genommen haben. Aber dieser Brief ist mehr als ein Geständnis; er ist auch eine Warnung. Ich fürchte, Dein Leben ist ebenfalls in Gefahr. Meine Auftraggeber werden wahrscheinlich glauben, Du hättest von allem gewußt und könntest ihnen genauso schaden wie ich. Setze Dich mit Masterson in Verbindung. Seine Privatnummer befindet sich auf der Rückseite dieses Briefes. Sag ihm, wer Du bist. Er hat Möglichkeiten, Dir zu helfen. Gott weiß, er schuldet es mir …
    Briefe zu beenden war immer schwer für mich. Ich spüre, daß Du bei mir bist, während ich hier sitze und tippe. Denke daran, daß ich immer bei Dir sein werde.
    In Liebe, auf ewig …
    Drew las den Brief zum fünften Mal, während er im Sessel seines Hotelzimmers saß. Sein Atem blieb beschleunigt, weitere Tränen wurden erstickt durch den Schreck, der in etwas bestand, an das zu glauben er sich nicht erlauben konnte. Doris Kaplan, eine Drogenschmugglerin? In dieser bizarren Behauptung lag eine Spur von Glaubwürdigkeit, genug Wahrheit, so daß jeder Selbstbetrug, zu der Drew in der Lage wäre, sinnlos war. Es stand alles da, schwarz auf weiß, ein Geständnis, eine Warnung. Ja, das war etwas, was sie tun würde. Seine Großmutter, eine Frau ohne Furcht, stark auf eine Weise, von der andere nur träumen konnten. Das Leben konnte nach ihr schnappen, aber sie würde genauso hart zurückschnappen – nein, härter.
    … daß der Schutz nicht ausreichte, daß die Leute, für die ich arbeitete, Rache genommen haben.
    Drews Blick fiel immer wieder auf diesen Satz, mit benebeltem Verstand und Gedanken, die durcheinandergerieten. Klar war ihm nur, daß er diesen Masterson anrufen mußte. Er blickte zu seiner Hotelzimmertür. Warteten draußen Leute, um einen Unfall für ihn zu arrangieren? Oder würde ihre Methode in diesem Fall direkter sein, eine Kugel in den Kopf oder ein Messerstich von unterhalb einer Zeitung auf einem belebten Flughafen?
    Drews

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