Der Rat der Zehn
ich nicht vergessen, niemals.«
Die alte Frau schob Ellie den Zeitungsausschnitt hin. Sie betrachtete erst das Foto und dann die Unterschrift: Heinrich Goltz, Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland. Ein Ex-Nazi, irgendwie im Verein mit dem Rat der Zehn. Unglaublich!
»Sie sind sicher, das ist derselbe Mann?«
»Dasselbe Gesicht«, sagte Maria Carvera, »aber nicht derselbe Mann. Er entzog sich den Prozessen und tauchte unter. Müßte inzwischen in den Siebzigern sein. Wer sonst könnte ihn jetzt noch wiedererkennen? Niemand. Es blieb mir überlassen, ihn der Gerechtigkeit zuzuführen. Ich sprach zu mehreren Leuten darüber. Einige Tage später tauchten die Männer im Krankenhaus auf.«
Ellie starrte wieder auf das Foto. Der Mann schüttelte Hände und lächelte dabei. Er hatte eine Halbglatze, und seine hellen Augen strahlten selbst auf dem Schwarzweiß-Foto. Heinrich Goltz …
»Frau Carvera, wie oft hatten Sie …«
Ellie hielt inne, als die Hunde sich knurrend aufrichteten, die Nackenhaare gesträubt. Die alte Frau deutete ihr mit einer Fingerkuppenbewegung über die ausgetrockneten Lippen an, still zu sein.
»Da kommt jemand«, flüsterte sie.
»Ich werde nachsehen«, bot sich Terry an und war mit dem Gewehr in der Hand schon auf dem Weg zur Tür.
Elliana stellte sich ihr in den Weg. »Nein. Das hier ist mein Job, nicht Ihrer. Bleiben Sie bei Ihrer Mutter. Ich mach das schon. Außerdem habe ich die wohl hierhergelockt.«
»Was? Woher wollen Sie das wissen?«
»Das spielt keine Rolle. Bleiben Sie jedenfalls hier. Wenn ich mich nicht täusche, sind da mehrere von denen. Sie kennen sich hier gut aus. Sobald Sie Schüsse hören, hauen Sie ab. Bringen Sie Ihre Mutter und die Hunde in das sicherste Versteck, das Sie finden können. Das ist Ihre einzige Chance.«
»Aber …«
»Ich gehe jetzt. Die werden keinen direkten Angriff erwarten. Das Überraschungsmoment wird auf meiner Seite sein. Das ist meine Chance.«
Ellie bewegte sich auf die Tür zu und zog ihre Pistole. Ein volles Magazin eingeschoben, ein zweites in ihrer Tasche – insgesamt nur sechzehn Patronen. Weitere Munition lag in ihrem Auto unten am Berg. Sie mußte die sich nähernden Männer auseinanderbringen, das war alles. Verwirrung erzeugen, so daß sie aufeinander schießen würden, und dann im Schutz der Schießerei entkommen.
Sie ging hinaus in die kalte Bergluft und schloß die Tür hinter sich. Die Nacht war pechschwarz und mondlos. Gut. Die Dunkelheit würde ihr Verbündeter sein. Ellie bewegte sich in gebückter Haltung vorwärts und hielt ihren Kopf in Gebüschhöhe, während sie sich den Bäumen, die die Felsspalte säumten, näherte.
Nur ein paar Meter entfernt hörte sie die ersten Schritte. Zwei Männer kamen auf sie zu. Wahrscheinlich nur Kundschafter, die als Köder dienten, um sie herauszulocken. Die anderen Killer könnten sie mit beliebig vielen Geschossen erwischen. Nein, sie mußte zunächst diese beiden geräuschlos ausschalten und sich dann auf die anderen stürzen, mit dem Überraschungseffekt als ihrem größten Verbündeten.
Ellie zog ein langes Jagdmesser aus der Scheide, die sie an ihrer linken Wade befestigt hatte. Gebückt und mit hochgezogenen Schultern wartete sie im dichten Gebüsch. Der Pfad die letzte Anhöhe hinauf war schmal und würde die Männer zwingen, dicht nebeneinander zu gehen. Das war notwendig, wenn ihr Plan gelingen sollte.
Die Schritte kamen näher. Ellie dachte an Terry und ihre Mutter in der Hütte. Sie mußten wahrscheinlich ebenfalls sterben, wenn sie versagte. Sie würde gerne wissen, wie viele Tote es schon gegeben hatte, um das Geheimnis des Berga-Labors zu bewahren.
Zwei Männer, die sich an Baumwurzeln hochzogen, tauchten am Felsrand auf. Sie trugen Automatikwaffen und bewegten sich, wie erwartet, in enger Tuchfühlung zueinander. Ein strategischer Fehler. Das hätten sie wissen müssen. Ellie entschied sich zu warten, bis sie vorbei waren, bevor sie sprang. Sie rechnete sich aus, daß sie sich entweder ducken oder mit der freien Hand das Gebüsch teilen müßten, in dem sie kauerte.
Die Männer liefen vorbei, beide mit erhobener Hand, um ihre Augen vor den widerspenstigen Zweigen zu schützen.
Elliana stieß hervor, ohne daß die Männer sie hörten. Sie stürzte sich auf den Mann, der ihr am nächsten war, schlang einen Arm um seine Kehle, um ihm die Luft abzudrücken, als er sich leicht duckte. Der andere Mann wirbelte herum und reagierte genau wie erwartet.
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