Der Rat der Zehn
klettern, nachdem er die Luke wieder geschlossen und verriegelt hatte. Unter ihm war helles, kaltes Licht. Seine Füße berührten einen gekachelten Boden. Verwirrt und ohne sich zu orientieren lief er mit dem Rücken zur Wand etwa zehn Schritte vorwärts. Er erreichte einen riesigen weißen Korridor, der im rechten Winkel in zwei Richtungen verlief.
Die Luft um ihn herum hätte eigentlich nach feuchter Erde riechen müssen. Statt dessen war es klinisch frisch und wohlriechend. Es war klar, daß dieser Bunker über seine eigene Luftversorgung verfügte oder zumindest über unabhängige Filtervorrichtungen; das würde die Schächte oben erklären. Er dachte an die Spuren auf dem Weg vor Tumblefigs Feldern, die von den gewaltigen Baumaschinen herrührten, und lief den leeren Korridor hinunter. Was die sich hier vorgenommen und verwirklicht hatten, war erstaunlich. Aber wozu? Was genau hatte er hier entdeckt?
Waymann hörte das Echo seiner Schritte.
Andere Geräusche drangen nicht an sein Ohr. Noch ein paar Meter, und er erblickte die Türen. Sie waren normal groß, alle im gleichen Abstand. Er war erstaunt und fasziniert zugleich. Das mußte Jahre gedauert haben. Ein Bunker unter einer gewöhnlichen Farm in Iowa. Er rief sich die Lage von Tumblefigs Farm ins Gedächtnis. Sie war sehr abgelegen und wahrscheinlich die einzige Farm im Umkreis von vielen Meilen. Ja, hier hätten sie es durchführen können.
Aber das erklärte noch nicht das Warum.
Waymann sah, daß der Hauptkorridor an mehreren Stellen durch weitere Gänge unterteilt war, die weder sehr lang noch sehr breit waren. Er ging auf einen der Gänge zu, als schlurfende Schritte ihn zur Umkehr zwangen. Da er nicht wußte, wohin, versuchte er es an einer der Türen. Sie gab nach, und der Timberwolf huschte hinein. Er zog die Tür leise hinter sich zu.
Es war völlig dunkel. Waymann wartete, bis das Geräusch der Schritte verklungen war, und öffnete dann die Tür einen Spaltbreit, um zu sehen, was sich in dem Raum, in den er eingedrungen war, befand. Er hob die Augenbrauen und war verwirrt. Das war eine Art Schlafsaal, in dem mit geringem Abstand voneinander ungemachte Betten standen. Worüber war er hier gestolpert? Es waren mindestens vierzig Betten, und man konnte mit Recht vermuten, daß sich hinter den anderen Türen noch viele andere befanden. Ja, er hatte auf Erkenntnisse gehofft, die nicht allein im Zusammenhang mit dem Kokainhandel standen, aber das hier nicht. Das Kokain hatte sicherlich irgendwie damit zu tun, wenn auch nur als Teil einer viel bedeutenderen Sache. Er mußte das einmal von der anderen Seite angehen.
Einrichtungen, um Hunderte von Menschen in diesem Bunker unterzubringen. Eine eigene Luftversorgung. Was hatte das alles zu bedeuten?
Der Timberwolf schlich zurück in den Korridor. Wenn Antworten auf all das gefunden werden sollten, mußte er hier schleunigst verschwinden. Es war unnötig, noch weitere Türen zu überprüfen. Waymann vermutete hinter den meisten noch weitere Schlafquartiere, und hinter anderen befanden sich wahrscheinlich auch Lebensmittel- und Wasservorräte. Die ganze Anlage erinnerte an einen riesigen befestigten Atombunker. Ihn fröstelte bei dem Gedanken. Dann verwarf er ihn. Atomwaffen hatten nichts mit seiner Entdeckung hier zu tun. Irgendwie paßte Trelanas Kokain nicht in das Bild. Aber etwas anders drohte mit einer Katastrophe von unvorstellbarem Ausmaß. Und irgend jemand war dabei, sich darauf vorzubereiten, was immer es auch war.
Das hieß auch, daß jemand … irgend etwas bewerkstelligen mußte.
Er hatte genug gesehen; es war Zeit zu verschwinden. Ein Gefühl dumpfer Angst befiel ihn. Trotzdem handelte er nicht überhastet. Er war sicher, daß sich überall Luken befanden, ähnlich der, durch die er eingestiegen war.
Ein Schild mit der Aufschrift Tor 3 und einem Pfeil dahinter führte ihn in einen der sich kreuzenden Gänge. Auf halbem Wege hörte er das schwache Echo von Schritten, die aus der entgegengesetzten Richtung kamen. Ein Schatten tauchte auf, dann die Kontur eines Körpers. Waymann erstarrte. Wenn er losrennen würde, wäre er erledigt.
Er ging wieder in die Richtung, aus der er gekommen war, und horchte angestrengt auf die Schrittfolge hinter ihm.
»He!« Der Ruf erfolgte, bevor die Schritte ihn eingeholt hatten. »He!«
Waymann ging unbeirrt weiter, als sei er geistesabwesend.
»Sie da, anhalten!«
Die Schritte wurden schneller, trommelten über die Fliesen und hatten ihn fast
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