Der Rat der Zehn
Er hatte immer noch keine Vorstellung davon, was wirklich vor sich ging, keine Geschichte, die irgend jemand glauben würde. Und bis er nicht mehr wußte, hatte es keinen Sinn, sich an Behörden oder die Justiz zu wenden. Das Pulver war der Schlüssel. Er mußte herausfinden, was es war, und hätte dann etwas, womit er anfangen konnte, den Beweis für seine Geschichte.
Drew kam Samstag in der Frühe in Washington an und quartierte sich in der Nähe des Flugplatzes ein, im Hilton, um über seinen nächsten Schritt nachzudenken. Pam war nur einen Anruf oder eine kurze Taxifahrt weit entfernt, aber keines von beiden war möglich. Er hatte in der vergangenen Woche genug erlebt, um sicher zu sein, daß sie unter ständiger Beobachtung stand und ihr Telefon abgehört wurde. Welche Mittel er auch benutzte, um Pam zu erreichen, sie durften sie nicht in Gefahr bringen. Das war Bedingung Nummer eins. Sie war die einzige übriggebliebene Person, die er liebte und der er traute. Er kannte ihren Stundenplan genau, und da heute Samstag war, würde sie den Tag mit der Arbeit an ihrer Dissertation in der George-Washington-Bibliothek verbringen. Die ganze Zeit unter Beobachtung. Unmöglich, sich ihr zu nähern, ohne daß ihn jemand dabei sehen würde. Es mußte einen Weg geben. Verkleiden vielleicht. Lächerlich. Sie hätten ihn sofort. Vielleicht konnte er einen Boten beauftragen … Wiederum nein. Zu viele Fragen würden auftauchen, deren Beantwortung zuviel Zeit kostete. Und wohin er Pam auch schicken würde, um ihn zu treffen: Ihre Beschatter würden in der Nähe sein.
Drew lag auf dem Bett und fiel hin und wieder in einen unruhigen, kurzen Schlummer. Er konnte sich nicht erinnern, je so müde gewesen zu sein, aber der Schlaf verweigerte sich ihm. Sein ganzer Körper tat ihm weh, jedes Drehen und Wenden war schmerzhaft. In seinem Kopf hämmerte es. Aber er konnte sein Hirn nicht abschalten. Er grübelte weiter, dieselben Möglichkeiten wieder und wieder überdenkend, unfähig, sie abzuwehren.
Pam würde, ihre Büchertasche schleppend, gegen zehn Uhr vormittags in der Bibliothek ankommen. Was, wenn Drew drinnen auf sie wartete, vielleicht in einem Fahrstuhl oder in der Nähe ihres Bücherfaches?
Er richtete sich schnell auf, seine Gedanken rasten. Das Bücherfach von Pam war die Idee! Die George-Washington-Universität reservierte einen bestimmten Teil ihrer Bibliothek für graduierte Studenten, um ihnen die Möglichkeit zu geben, die benötigten Bücher dort griffbereit zur Verfügung zu halten. Drew konnte früh hingehen, eine Nachricht in Pams Bücherfach hinterlassen und wieder weg sein, bevor sie ankam. Der Kontakt würde hergestellt sein. Aber es war soviel erforderlich, soviel mußte er ihr erklären. Sie zu einem Telefon oder Treffen zu bestellen würde die ganze Sache gefährden. Jede Änderung ihrer Gewohnheiten, alles, was außergewöhnlich wirkte, würde den Feind auf seine Gegenwart aufmerksam machen. Alles mußte zusammenpassen.
Die Lösung fand er schnell. Es würde nicht leicht durchzuführen sein, aber es war seine einzige Möglichkeit. Die Männer, die Pam beschatteten, würden nichts merken.
Pam sah den Umschlag, als sie sich hinsetzte. Er war zwischen zwei Bücher in ihrem Fach geklemmt. Beim Hinausziehen bemerkte sie, daß ihr Name auf dem Umschlag, der aus einem hiesigen Hotel stammte, stand, und sie erkannte Drews Handschrift. Sie entnahm dem Kuvert das einzelne Blatt und las mit angehaltenem Atem und geweiteten Augen, so schnell sie nur konnte.
Pam …
Es gibt eine Menge zu erklären, und ich kann das unmöglich alles jetzt aufschreiben. Die ganze Welt scheint auseinanderzufallen. Wir müssen uns unterhalten, aber ich bin sicher, daß Du beschattet wirst, und ich kamt nicht direkt mit Dir Kontakt aufnehmen. Reagiere nicht auf das, was Du gerade liest. Tu so, als sei es einfach eine beiläufige Notiz. Es ist alles meine Schuld. Ich habe Dich in Gefahr gebracht, aber ich glaube, ich kann uns beide retten. Komm heute abend um acht Uhr in mein Haus. Schalte den Computer an, und lade das Kommunikationsprogramm ein. Ich werde von einem anderen Terminal aus Kontakt mit Dir aufnehmen und, so gut ich kann, alles erklären. Ich hätte Dich im Haus getroffen, aber ich bin sicher, daß sie das auch beobachten. Tu in der Zwischenzeit nichts Außergewöhnliches. Sie beobachten Dich selbst jetzt. Du wirst sie niemals sehen können, aber sie sehen Dich. Ich liebe Dich.
Drew
So ruhig wie sie konnte legte Pam den
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