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Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James McGee
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geblieben?, fragte er sich. Ich hab’s doch nur für ein paar Minuten aus den Augen verloren. Es kann auf keinen Fall in dieser kurzen Zeit das Ufer erreicht haben. Es muss irgendwo auf dem Fluss sein. Hätte ich doch nur das Fernrohr mitgenommen. Aber Jago hatte scharfe Augen. Als Schütze beim Rifles Regiment musste man Augen haben wie ein Falke. Also kniff Jago die Augen zusammen und spähte über den Fluss. Es gab viele ähnliche Boote, aber das, nach dem er suchte, war nirgends zu sehen. Kein Segelboot mit einem Rumfass am Heck. Verdammte Scheiße!
    Und dann sah er, wie ein Mann auf einem Müllkahn aufs Wasser deutete. Der Lastkahn querte den Fluss und war wohl zur Werft in Deptford unterwegs. Jago kniff die Augen zusammen und entdeckte dort, wo der Mann hindeutete, etwas im Wasser.
    Er sah nur ein auf dem Fluss schwimmendes Fass. Es ist wohl von einem Leichter oder einem Handelsschiff über Bord gegangen, dachte Jago. Nichts, worüber ich mich aufregen müsste. Und trotzdem … Jetzt sah Jago, dass auf dem Müllkahn zwei Männer ins Wasser deuteten. Ein verloren gegangenes Weinfass erregt doch nicht so viel Aufmerksamkeit, überlegte er.
    Ein Weinfass?
    Jago stand im Boot auf, starrte zu der Stelle und sah, wie das Fass langsam unterging.
    Kruzitürken!, fluchte er, setzte sich und griff nach den Rudern. Nathaniel Jago hatte in Mandrakes Lagerhaus die Bedrohung gespürt, als säße ihm der Teufel im Nacken. Und jetzt legte er sich in die Ruder, als wäre ihm derselbe auf den Fersen.
     
    »Was passiert, wenn wir sinken?«, fragte Hawkwood.
    Lee blickte von seiner Taschenuhr auf und runzelte die Stirn. »Das ist ein verdammtes Unterseeboot. Es soll sinken.«
    »Ja, aber wenn es außer Kontrolle gerät, wie kommt man dann da raus?«
    »Dann wird der Kiel losgemacht und das Boot taucht nach oben«, sagte Lee völlig ungerührt.
    »Und wenn das nicht gelingt?«
    »Dann halten wir die Luft an und beten.«
    Hawkwood starrte Lee nur an.
    Lee seufzte. »Wenn sich der Kiel nicht losmachen lässt und das Gewicht das Boot unter Wasser hält, dann bleibt nur der Ausstieg durch die Luke. Aber die kann man nicht einfach aufklappen und rausschwimmen. Der Druck des eindringenden Wassers wäre zu stark. Also muss man die Ventile öffnen, damit der Bootsrumpf bis zur Lukenöffnung geflutet wird. Dann herrscht innen wie außen derselbe Druck. Erst wenn das eintritt, kann man die Luke öffnen und auftauchen.« Lee lachte glucksend. »Eins muss ich Ihnen lassen, Officer Hawkwood: Ihr Selbsterhaltungstrieb ist bewundernswert, auch wenn in Ihrer Situation völlig sinnlos.«
    Er klappte den Deckel seiner Taschenuhr zu. »Genug davon. Die Flut hat ihren höchsten Stand erreicht. Jetzt geht’s los. Bereit zum Auftauchen, Sparrow?«
    Lee gab Anweisungen, und das Unterseeboot glitt nach oben. Lee spähte durch das vordere Bullauge. »Stopp!«
    Hawkwood registrierte, dass die Spitze des Kommandoturms jetzt aus dem Wasser ragte. Er beobachtete den Amerikaner. Lee konzentrierte sich auf den Fluss und warf immer wieder einen Blick auf seine Uhr und den Kompass, um die Position zu überprüfen.
    Sparrow nutzte die Gelegenheit und zog sein Hemd aus. Hawkwood sah, dass der Matrose zwar schmal, aber drahtig war, bestens geeignet, um in der Takelage eines Schiffs herumzuturnen. Schweiß glänzte auf seinem muskulösen Oberkörper und seinem flachen Bauch. Als Sparrow sich umdrehte, sah Hawkwood die Narben auf seinem Rücken. Wahrscheinlich ist er wie Scully öfter ausgepeitscht worden, dachte Hawkwood und das erklärt auch, warum er für den Amerikaner arbeitet. Noch ein misshandelter Seemann, der wahrscheinlich zu den Meuterern gehört und sich rächen will.
    Die Augen am Bullauge, legte Lee nun seine Hand auf den Hebel des Steuerruders. »Jetzt, Sparrow. Ganz sachte.«
    Sparrow drehte langsam die Kurbel. Zahnräder knirschten wie beim Aufziehen einer Uhr. Die Narwal drehte sich vibrierend um die eigene Achse. Zunächst ruckartig, aber dann gleichmäßig. Nur das hypnotische Klicken der Zahnräder, die die Schiffsschraube antrieben, und Sparrows keuchender Atem waren zu hören.
    Lees Augen klebten förmlich am Bullauge. Von Zeit zu Zeit warf er einen Blick auf den Kompass und regulierte die Stellung des Tiefenruders, um das Boot auf Kurs zu bringen. Er wusste, dass die Narwal nur noch dieses eine Mal auftauchen konnte, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Es wäre zu gefährlich, in Sichtweite feindlicher Beobachter den Kommandoturm aus dem Wasser

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