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Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James McGee
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und hier fand man sämtliche Rohmaterialien, die für den Erhalt der britischen Vorherrschaft auf See nötig waren. Hier wurden Schiffe gebaut und vom Stapel gelassen; es gab Flutbecken und Trockendocks, Mastschuppen, Bootsteiche, Sägewerke, Holzplätze, Teer- und Wergschuppen, Segelmacherwerkstätten, Takler, Seiler, Eisen- und Kupferschmiede und andere Handwerksbetriebe.
    Zur Werft gehörte ebenfalls ein riesiger Viktualienmarkt. Wäre in der Hauptstadt plötzlich eine Seuche ausgebrochen, so hätten alle Arbeiter und Ansässigen der Marinewerft hinter verriegelten Toren überleben können. Denn die Werft war auf keine Hilfe von außen angewiesen und konnte sich selbst versorgen. Neben Kühlhäusern waren in Deptford eine Bäckerei, eine Brauerei, eine Böttcherei und ein Schlachthof vorhanden – kurzum, die Werft verfügte über die Infrastruktur einer kleinen Stadt. Das war nicht nur an dem Lärm zu erkennen, der über den Fluss hallte, sondern auch an den Gerüchen. Unter die Wohlgerüche nach frischen Backwaren und gärendem Hopfen mischten sich auch der ätzende Dunst kochenden Teers, der Gestank von Tierexkrementen, ungegerbten Tierhäuten, frischem Blut und Innereien.
    James Read stand am Kai, eine Hand auf seinen Spazierstock gestützt, und beobachtete das hektische Treiben auf der Werft.
    »Wird sie einer Prüfung standhalten? Was glauben Sie?«, fragte der Mann an seiner Seite.
    Kommissar Ezekiel Dryden war ein großer, schlaksiger Mann mit schweren Lidern und einer legeren Haltung, die den Eindruck erweckte, sein Leben bestehe nur aus Müßiggang. Dryden war jedoch früher Kapitän zur See und Kommandant mehrerer Kriegsschiffe gewesen, wie die meisten Werft-Kommissare. Jetzt war er für die Werften in Deptford und Woolwich verantwortlich. Somit unterstand er direkt dem Marineministerium.
    James Read sagte nachdenklich: »Es muss klappen. Ich furchte nur, die Zeit läuft gegen uns.«
    Als der Oberste Richter zwei Männer – einen Marineoffizier und einen Zivilisten – über den Kai näher kommen sah, bekam er Herzklopfen.
    Der Offizier blieb vor ihm stehen und salutierte. »Verzeihung, Euer Ehren …« Und weiter kam er nicht, denn James Read hob die Hand und gebot zu schweigen.
    »Danke, Corporal. Sie dürfen sich entfernen.«
    Überrascht über diese knappe Aufforderung, wegzutreten, sah der Offizier Dryden um Unterstützung heischend an. Als jedoch keine kam, warf er Jago einen verwirrten, aber respektvollen Blick zu.
    »Lassen Sie sich nicht aufhalten, Corporal«, bekräftigte der Kommissar trocken James Reads Worte.
    »Ja, Sir. Sehr wohl, Sir«, besann sich der Offizier auf seine militärische Disziplin. Er unterdrückte seine Neugier, salutierte wieder, schulterte seine Flinte und machte auf dem Absatz kehrt.
    Der Oberste Richter vergeudete keine Zeit, sondern kam sofort zur Sache. »Gibt es Neuigkeiten, Sergeant?«
    Jago nickte. »Ja, aber leider keine guten.«
    »Reden Sie.«
    Richter Read und Kommissar Dryden hörten schweigend zu, als Jago berichtete, wie er in Mandrakes Lagerhaus eingedrungen war und was er dort vorgefunden hatte. Der Oberste Richter war zutiefst erschüttert, als er erfuhr, dass der Uhrmacher ermordet worden war.
    »Großer Gott!« Auch Dryden, diesen kampferprobten Offizier, schockierte dieser brutale Mord an Josiah Woodburn.
    »Was ist mit Officer Hawkwood?«, fragte der Richter. »Sie haben keine Spur von ihm entdeckt?«
    Jago schüttelte den Kopf. »Nein, es ist, als hätte ihn der Erdboden verschluckt. Ich nehme an, diese Halunken haben ihn mitgenommen.«
    »Wohin?«, hakte James Read nach.
    »An Bord.«
    Der Richter sah Jago entgeistert an. »An Bord? Wollen Sie damit sagen, er ist in diesem Unterseeboot?«
    »Ich schätze, ja.«
    »Großer Gott!«, sagte Kommissar Dryden wieder.
    Auf der anderen Seite der Mauer zwischen Werft und Viktualienmarkt muhten Kühe und Schweine grunzten und quiekten. Gerade war ein Viehtransport aus Smithfield eingetroffen. Der helle Klang eines Hammers, der auf einen Amboss aufschlug, war ebenso zu hören wie eine Litanei wüster Beschimpfungen. Mit schneidender Stimme stauchte ein Mann einen Handwerker wegen einer verpfuschten Arbeit zusammen. Das Leben auf der Werft ging weiter.
    »Und Sie haben tatsächlich gesehen, wie das Unterseeboot abtauchte?«, fragte der Richter eindringlich.
    Jago zögerte kurz. »Absolut sicher bin ich mir nicht. Ich habe das Boot gesehen, und eine Sekunde später hatte es sich in Luft aufgelöst. Und Sparrow

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