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Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James McGee
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gewöhnliche Diebe interessant wäre«, sagte der Oberste Richter mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Wahrscheinlich haben die Kerle die Tasche bei ihrer ersten Rast einfach weggeworfen. Ihnen ging es nur um Geld und Schmuck, Beute, die sie leicht verhökern können. Und die uns auf ihre Spur führen könnte.«
    »Ich brauche eine Beschreibung der geraubten Gegenstände.«
    »Da kann Ihnen Mr.Twigg weiterhelfen. Er hat die Details notiert«, informierte ihn der Oberste Richter, ging zu seinem Schreibtisch zurück, setzte sich und fügte mit ernster Miene hinzu: »Ich will, dass diese Verbrecher zur Strecke gebracht werden, Hawkwood!«
    Hawkwood nahm stirnrunzelnd die für den Obersten Richter untypische Vehemenz zur Kenntnis. Es klang so, als wäre James Read höchstpersönlich einer der ausgeraubten Passagiere gewesen. Denn gewöhnlich zeigte der Richter kein derart ausgeprägtes Interesse an einem Verbrechen.
    »Das wär’s«, sagte James Read und griff wieder nach seiner Feder. »Sie können jetzt gehen.«
    Schon auf dem Weg zur Tür drehte sich Hawkwood noch einmal um, als der Richter, über ein Dokument gebeugt und ohne den Blick zu heben, hinzufügte: »Es ist mir durchaus bewusst, Hawkwood, dass es bei der Verfolgung krimineller Elemente manchmal nötig ist, über gewisse andere … weniger schwerwiegende Missetaten hinwegzusehen. Dass man die kleinen Fische in Ruhe lässt, um den Hecht zu fangen. Präziser ausgedrückt, dass es heute Nachmittag durchaus gerechtfertigt war, den Faustkampf vor dem Wirtshaus Blind Fiddler nicht zu unterbrechen, damit sich die Witwe Gant und ihre Brut in Sicherheit wiegen konnte.
    Ich bin jedoch strikt dagegen, dass sich Mitarbeiter der Behörde diese Nachsicht zunutze machen und sogar einen Teil ihres Gehalts bei diesen – ich darf Sie daran erinnern – noch immer ungesetzlichen Veranstaltungen verwetten.«
    Jetzt hob der Richter den Kopf und betrachtete Hawkwood mit einem milden, fast müden Ausdruck in den Augen. »Und ersparen Sie mir Ihre Unschuldsmiene, Hawkwood, sowie jede Beteuerung, Ihnen seien derlei Vorkommnisse nicht bekannt, denn ich bin überzeugt, dass mein Sekretär in Wetten verwickelt ist, obwohl er das natürlich nie zugeben würde.
    Zu dieser Schlussfolgerung bin ich übrigens gekommen, als Mr.Twigg mit ungewohnter Bereitwilligkeit meinem Auftrag, Sie im Blind Fiddler zu treffen, nachgekommen ist. Mir ist dieses gewisse Funkeln in seinen Augen nicht entgangen. Und da er Sie nicht hierher zurückbegleitet hat, nehme ich an, dass er eine Brandyfahne hat, wenn ich ihm das nächste Mal begegne.«
    Hawkwood bemühte sich vergebens, ein Grinsen zu unterdrücken.
    »Aha, mir scheint, ich habe da einen Nerv getroffen«, fügte Richter Read sarkastisch hinzu. »Na gut. Damit ist die Angelegenheit für mich im Augenblick erledigt. Ich gehe jedoch davon aus, dass Sie beide in Zukunft mehr Umsicht walten lassen. Als Vertreter des Gesetzes sind wir alle dazu verpflichtet, mit gutem Beispiel voranzugehen.«
    »Ja, Sir«, sagte Hawkwood, ohne eine Miene zu verziehen. »Wär’s das dann?«
    »Momentan ja«, nickte der Oberste Richter. »Halten Sie mich auf dem Laufenden.«
    James Read wartete, bis Hawkwood die Tür hinter sich geschlossen hatte, ehe er seine Feder auf den Schreibtisch legte und sich zurücklehnte. Das Kinn auf die Fingerspitzen gestützt, blickte er nachdenklich vor sich hin.
    Es bedrückte ihn mehr als erwartet, dass er Hawkwood nicht in den ganzen Sachverhalt dieses Falls eingeweiht hatte. Hawkwood arbeitete zwar noch nicht lange für die Bow Street, hatte sich jedoch in dieser Zeit als der beste Runner des Teams erwiesen. Er war intelligent, findig und, wenn nötig, absolut skrupellos. Hawkwood hätte es verdient, mehr über die Hintergründe des Falls zu erfahren, aber da es sich dabei um eine äußerst delikate Angelegenheit handelte, hatte der Richter strengste Anweisung erhalten, nur die für die Ermittlungen unbedingt notwendigen Details preiszugeben. Wie in einem Schachspiel hatte er Hawkwood auf das Brett gestellt und konnte nur hoffen, dass sein Mann nun die richtigen Züge machte.
    Währenddessen gelang es Hawkwood im Vorzimmer nur mit Mühe, sein Erstaunen zu unterdrücken, denn der Sekretär Ezra Twigg saß an seinem Schreibtisch, hielt eine Liste der gestohlenen Gegenstände in der Hand und schien trotz seiner wohl hastigen Rückkehr aus der Taverne Blind Fiddler nicht einmal außer Atem zu sein. Als Hawkwood nach der Liste griff, stieg

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