Der Rattenfänger
Haus gebeten worden. Und wie bei ihrem ersten Zusammensein hatte sie sich ihm mit einer Rückhaltlosigkeit dargeboten, die ihm den Atem raubte.
Jetzt stand Catherine mit katzenhafter Geschmeidigkeit auf und griff nach ihrem Negligee.
Hawkwood nippte an seinem Wein und betrachtete bewundernd ihren nackten Körper. »Erzähl mir von Lord Mandrake«, sagte er.
»Lord Mandrake?«, fragte Catherine verwundert.
»Was weißt du über ihn?«
»Ich weiß, dass er reich ist«, sagte sie mit strahlendem Lächeln.
»So viel weiß ich auch«, sagte Hawkwood. »Was weißt du sonst noch?«
Mandrakes Vermögen stammte aus vielen Quellen, aber hauptsächlich aus Spekulationsrenditen des Überseehandels. Die Mandrakes hatten über Generationen hinweg ein lukratives Importgeschäft aufgebaut, sei es mit Tabak aus Amerika, Seide und Gewürze aus dem Fernen Osten oder mit anderen Luxusgütern wie indischem Tee und Weinen aus Südeuropa.
Catherine legte sich ihr Negligee um die Schultern. »Warum stellst du mir diese Fragen, mein Schatz?«
»Aus purer Neugier«, sagte Hawkwood achselzuckend.
»Kann es sein, dass du ein bisschen neidisch auf ihn bist?«, fragte sie amüsiert. Sie kam zum Bett zurück und lachte über seinen Gesichtsausdruck. »Das hast du nicht nötig«, fügte sie hinzu und setzte sich wieder zu ihm. Dabei wippte ihr Busen unter dem nur lose übergeworfenen Negligee verlockend.
Sie nahm ihm das Glas aus der Hand, nippte daran, zuckte mit den Schultern und erzählte: »Lord Mandrake gehört seit Jahren zu den Freunden der Familie meines Onkels. Die beiden sind außerdem Geschäftspartner. Viele Weine, die Lord Mandrake importiert, stammen von den Weingütern meines Onkels in Portugal. Als ich meinem Onkel mitteilte, dass ich in England bleiben wolle, bat er Lord Mandrake, sich um mich zu kümmern. Er war immer ein treuer und zuverlässiger Freund. Ich darf sogar in seinem Haus wohnen, solange ich in London bin. Er ist einer der liebenswürdigsten Menschen, die ich kenne, und hat den Comte d’Artois auf großzügige Weise unterstützt.«
Was er sich bestimmt leisten kann, folgerte Hawkwood, als er an die überaus luxuriöse Festivität dachte.
»Und was weißt du über seine Freunde?«
»Nur, dass er viele hat. Ich glaube, er diniert hin und wieder sogar mit dem Premierminister.« Dann sah sie ihn fragend an. »Matthew, du stellst Fragen, als würdest du ihn verdächtigen. Was soll das alles?«
Mit einem etwas gezwungenen Grinsen sagte Hawkwood: »Das bringt mein Beruf zwangsläufig mit sich. Weil ich Polizist bin, verdächtige ich jeden.«
»Sogar mich?«
Trotz ihres betörenden Lächelns erschreckte ihn ihre Frage.
»Nein«, entgegnete er lächelnd. »Oder sollte ich?«
Catherine musterte ihn aufmerksam. »Jeder hat etwas zu verbergen, Matthew«, sagte sie, legte die Hand an seinen Hals und zeichnete mit dem Finger die Muttermale nach. »Ist das nicht so?«
Der Lakai starrte Hawkwood verwirrt und misstrauisch an. Hawkwood glaubte, der Diener habe ihn nicht verstanden. Deshalb wiederholte er: »Special Constable Hawkwood möchte Lord Mandrake sprechen.« Er hielt ihm seinen Ausweis unter die Nase. Auch wenn der Diener nicht lesen konnte, würde ihm das offizielle Siegel auf dem Dokument wohl Zutritt zum Haus verschaffen.
Da seine Nacht mit der liebeshungrigen Catherine keine Erkenntnisse gebracht hatte, außer der Tatsache, dass Lord Mandrake flüchtige, wenn nicht sogar enge Beziehungen zu den meisten Regierungsmitgliedern pflegte, hatte Hawkwood beschlossen, den direkten Weg einzuschlagen und dem Haus Mandrake einen Besuch abzustatten.
Nachdem der Lakai seinen Ausweis kritisch geprüft hatte, sagte er: »Seine Lordschaft ist nicht zu Hause.«
»Wann wird er zurückerwartet?«
Der Diener zögerte, durch Hawkwoods scharfen Ton noch vorsichtiger geworden.
»Also?«, sagte Hawkwood und steckte den Ausweis wieder in seinen Schlagstock.
»Ich bin mir nicht sicher. Seine Lordschaft ist fort, verstehen Sie?«
»Ja.« Hawkwood war zunehmend verärgert. »Das hast du mir ja eben gesagt. Wo ist er?«
»Auf seinem Landsitz in Northwich. Ich glaube, der Comte wollte einen Ausflug aufs Land machen.«
»Der Comte?«
»Der Hausgast Seiner Lordschaft, der Comte de Rochefort.«
Der in Montaignes Lektüre vertiefte Franzose, der am Abend des Balls ein so ungewöhnliches Interesse an Hawkwood gezeigt hatte. Wie dem Comte wohl der Norden gefallen wird?, fragte sich Hawkwood. Northwich liegt in Cheshire,
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