Der Rattenfänger
auf hoher See gerüstet wurde. Danach sollte das Schiff der Royal Navy’s Channel Fleet zugeteilt werden.
James Read musterte den Admiral. »Wann?«
Dalryde blinzelte. »Am 27. – in zwei Tagen. In Woolwich wird sie aufgetakelt und dann in Sheerness mit Kanonen bestückt. Dort geht auch die Mannschaft an Bord. Eine Woche wird sie auf See kreuzen und dann in Portsmouth zum Flottengeschwader stoßen.«
In dem anschließenden Schweigen wirkte der Erste Seelord sehr nachdenklich.
»Beunruhigt Sie noch etwas, Sir Charles?«, fragte James Read.
Yorke nickte zögernd. »Ja. Der Prinzregent.«
»Ist das auch ein Schiff?«, fragte der Oberste Richter verblüfft.
Der Erste Seelord schüttelte bekümmert den Kopf. »Nein. Damit meine ich Prinzregent Georg. Seine Königliche Hoheit, den Prinzen von Wales.«
Read starrte Sir Charles Yorke verständnislos an. »Und was ist mit ihm?«
»Seine Königliche Hoheit wird beim Auslaufen der Thetis an Bord sein.«
»Während der ganzen Fahrt?« James Read konnte es nicht glauben.
Wieder schüttelte der Erste Seelord den Kopf. »Nein, nur bis Woolwich.«
Diese kurze Strecke eignet sich kaum als Kulisse für eine heroische Entdeckungsreise, dachte Hawkwood. Prinz Georg will sich wohl wieder einen seiner fantastischen Träume erfüllen.
Es war allgemein bekannt, dass Prinz Georg trotz seines Amts als Regent gewissen Wahnvorstellungen frönte. Es war nicht ungewöhnlich, dass sich der Prinz als einer der Heroen der Antike, als mittelalterlicher Monarch und sogar als chinesischer Mandarin verkleidete – und sich an der Szenerie einer blutrünstigen und gloriosen Schlacht ergötzte. Obwohl dem Hofstaat diese Schauspiele äußerst peinlich waren, wagte es niemand, dem Prinzen die Wahrheit zu sagen: dass seine Heldentaten rein fiktiver Natur waren und nur in seiner Vorstellung existierten.
Der kalte Blick des Obersten Richters durchbohrte Sir Charles. »Und warum wurde meine Behörde davon nicht in Kenntnis gesetzt?«
Charles Yorke zuckte mit den Schultern. »Vielleicht wollte Seine Königliche Hoheit Sie nicht mit Nebensächlichkeiten belasten.«
»Nebensächlichkeiten?«, konterte Read scharf. »Den Schutz des Prinzregenten würde ich wohl kaum als eine Nebensächlichkeit bezeichnen.«
Sir Charles seufzte. »Hierbei handelt es sich nicht um eine zivile Angelegenheit, Read. Seine Königliche Hoheit bedarf Ihres Schutzes nicht, denn ein Truppenkontingent der Marine wurde bereits nach Deptford abkommandiert und wird den Prinzen nach Woolwich begleiten. Es gibt also keinen Grund zur Sorge.«
»Es gab keinen Grund zur Sorge«, korrigierte Read giftig.
»Immerhin haben sich die Umstände durch die hier gewonnenen neuen Erkenntnisse drastisch geändert, nicht wahr?«
Sir Charles straffte die Schultern. »O Mann! Die Sicherheit des Prinzregenten ist nicht gefährdet. Schließlich segelt er nur nach Woolwich und nicht in die Ostsee.«
»Dann haben Sie also nicht die Absicht, den Besuch des Prinzen auf der Thetis abzusagen?«, fragte Read.
Der Erste Seelord lächelte verkniffen. »Es erfordert sehr viel Mut – den ich nicht habe –, seiner Königlichen Hoheit einen Wunsch abzuschlagen. Schweitzer und Davidson hat ihm bereits eine neue Uniform geliefert. Hoffentlich taucht er nicht als Sultan von Ranipur verkleidet auf«, fügte Sir Charles abfällig hinzu. »Nichts für ungut, Colonel. Ich weiß, dass Sie Seine Hoheit als Ihren Freund betrachten, aber manchmal …«
Colonel Congreve schüttelte amüsiert den Kopf und wedelte mit der Hand. »Sie müssen sich vor mir nicht rechtfertigen, Sir Charles.«
Der Erste Seelord ist erstaunlich indiskret, dachte Hawkwood. Aber ich verstehe seine Befürchtungen. Der Prinz ist für seine extravaganten Kostüme bekannt. Er entwirft sie oft selbst und krönt sie mit Geschmacklosigkeiten, wie Säbelscheiden aus Leopardenfell und goldenen Epauletten.
»Außerdem ist er mitten in London nicht in Gefahr«, fuhr der Erste Seelord fort. »Sobald das Schiff die Themsemündung erreicht, sieht die Lage jedoch anders aus. Ich möchte den Kapitän der Thetis sprechen. Und verständigen Sie den Kommandanten der Marinewerft in Sheerness. Nein, es wäre noch besser, Sie würden alle Kommandanten der Schiffe in der Themsemündung zu besonderer Wachsamkeit auffordern. Sicher ist sicher.«
Während Sir Charles seine Anweisungen gab, schritt er zu der Wand über dem Kamin. Dort hing ein Dutzend zusammengerollte Seekarten. Er wählte eine aus, nahm sie
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