Der rauchblaue Fluss (German Edition)
Stadt, sagt Mr. Karabedian, in der es von Heuchlern wimmelt, sei Mr. King einer der wenigen wahren Christenmenschen).
Ich will Dir nicht verhehlen, liebste Paggli, dass ich mir, bevor ich alle Umstände kannte, ein paar kostbare Augenblicke lang die Frage stellte, ob Mr. King nicht der Freund werden könnte, von dem ich träume. Aber das ist natürlich nichts als eitle Anmaßung: Mr. King ist von unglaublich hoher Gesinnung und muss mich als flatterhafte, frivole Kreatur und Heiden obendrein ansehen (und nichts davon könnte ich ihm guten Gewissens verübeln). Aber ein gewisser Trost bleibt mir, denn Mr. King ist die Liebenswürdigkeit in Person und lässt mir immer die denkbar größte Höflichkeit und Rücksichtnahme angedeihen. Er hat mir sogar versichert, dass er schon bald ein Porträt in Auftrag geben wird. Für mich ist er zwar nicht der Mann, der sich sein eigenes Konterfei an die Wand hängen würde, weshalb ich den Verdacht habe, dass es seine Absicht ist, einen guten Christen aus mir zu machen – aber das soll mich nicht anfechten: Ich kann Dir gar nicht sagen, wie sehnlich ich diesen Auftrag herbeiwünsche!
Was die anderen angeht, so klatschen sie bestimmt über mich (Mr. Karabedian kennt angeblich keinen Ort, an dem so viel getratscht wird wie in Fanqui-Town). Nicht selten werden Blicke rasch abgewandt und Stimmen plötzlich gesenkt, wenn ich vorbeigehe. Worüber geredet wird, ist nicht schwer zu erraten: Viele Leute hier, vor allem die Hochmögenden, sind gut bekannt mit Mr. Chinnery, denn er hat die meisten von ihnen gemalt. Ich sage nur so viel: Inzwischen fürchte ich ihren Spott so sehr, dass ich mich von allen fernhalte, die dem Bekanntenkreis meines Onkels angehören.
Aber das ist nun einmal mein Los, und ich muss mich damit abfinden. Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass ich mich wenigstens auf bescheidene Art rächen kann, wenn mein Gemälde fertig ist.
Du solltest aber keinen Augenblick glauben, Pagglicita mi amor, dass ich die Pflicht vergessen hätte, die Du und Dein Wohltäter mir auferlegt habt. Tagtäglich nähre ich die Hoffnung, jemanden kennenzulernen, der vielleicht etwas Licht in die Angelegenheit mit Mr. Penroses Kamelien bringen kann.
Und es wäre nachlässig von mir, würde ich diese Zeilen beschließen, ohne den Empfang Deines Briefes zu bestätigen und Dir dafür zu danken, dass Du mich über die Ereignisse auf der Redruth auf dem Laufenden hältst. Es hat mir große Freude bereitet, von all den bezaubernden Pflanzen zu lesen, die Du auf dieser Insel gefunden hast! Wer hätte gedacht, dass ein scheinbar so öder Ort mit einer so reichen Flora aufwarten kann? Und wer hätte sich überdies vorstellen können, dass meine süße Paggli sich eines Tages in eine unerschrockene Forschungsreisende verwandeln würde?
Was die Frage betrifft, mit der Du endest: Natürlich kannst Du Dich darauf verlassen, dass ich alles mir Mögliche tun werde, um Dir bei Deinem gesprochenen Englisch zu helfen! Vorerst aber möchte ich Dir den Rat geben, etwas mehr Sorgfalt bei der Wahl Deiner Worte walten zu lassen. Es ist natürlich nichts dagegen einzuwenden, dass Du die Besatzungsmitglieder der Redruth lobst und aufmunterst, zumal wenn sie ihre Arbeit gut machen, aber Du musst besser auf Deine Formulierungen achten. Da ich Dich kenne, ist mir völlig klar, dass Deine Beweggründe durch und durch unschuldig waren, als Du den Bootsmann zu seiner Sorgfalt beim Restaurieren des Schiffsbugs beglückwünscht hast. Aber Du solltest wissen, dass seine Verblüffung über Deinen gut gemeinten Vorstoß nicht von ungefähr kam. Ich gestehe, auch ich wäre sprachlos , wenn eine junge Dame mir dazu gratulieren würde, wie geschickt ich den »foc-stick« poliert habe. Es liegt mir fern, Dich für Deine Spontaneität zu schelten, liebste Paggli, aber Du darfst nicht immer annehmen, dass sich französische Ausdrücke wörtlich ins Englische übertragen lassen. Der Klüverbaum heißt nur auf Französisch »baton-à-foc«, auf Englisch dagegen keineswegs »foc-stick«, sondern »jib-boom«.
Auch warst du nicht gut beraten, dem verblüfften Bootsmann zu sagen, du hättest ihm nur zu seiner erfolgreichen Arbeit an »dem dicken Mast, der da vorne absteht« gratulieren wollen. Manchmal, ma chère Princesse de Pagleville, macht man, wenn man sich korrigieren will, alles nur noch schlimmer.
Nil konnte sich nur schwer mit Bahrams Arbeitsmethoden arrangieren. Früher, als er in seinem eigenen daftar selbst Heerscharen
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