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Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Titel: Der rauchblaue Fluss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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bin.«
    »Ja, Sethji.«
    Bahram wartete, bis die Tür wieder geschlossen war, und fragte dann: »Also, was soll das, Vico? Wer ist dieser Ho Sin-saang?«
    »Er sagt, Sie hätten ihn vor vielen Jahren gekannt, Patrão.«
    »Arré, Vico, es gibt Tausende von Ho Sin-saangs in Kanton. Wie soll ich mich an jeden erinnern, dem ich einmal begegnet bin? Zumal, wenn es so lange her ist.«
    Vico trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Er sagt, er war mit Madame verwandt, Patrão … «
    »Mit Chi-mei?« Bahrams Augen weiteten sich überrascht. »Ich erinnere mich nicht, dass sie Verwandte mit dem Familiennamen Ho gehabt hätte.«
    »Vielleicht kannten Sie ihn unter einem anderen Namen, Patrão. Diese Chinesen ändern ja ständig ihre Namen – mal heißen sie Ah-soundso, dann wieder Sin-saang dies und Sin-saang das.«
    »Hat er noch einen anderen Namen genannt?«
    »Ja, Patrão, er meinte, Sie erinnern sich vielleicht als Ah-Lau oder Allow an ihn.«
    Allow? In Bahrams Gedächtnis regte sich etwas. Er wandte sich ab, trat ans Fenster und sah auf den Maidan hinunter. Wie immer belagerten dort Schwärme rotznasiger Gassenjungen in schmutzigen grauen Kleidern und mit spitzen Hüten auf dem Kopf die umherschlendernden Ausländer: »I-say! I-say! Achha! Mo-ro-chaa! Geb cumshaw lan-tau!«
    Plötzlich erinnerte sich Bahram an das Gesicht solch eines Bengels, eines kleinen Mischlingsjungen mit stolperndem Gang, der Botengänge für Chi-mei übernommen hatte.
    Bahram drehte sich wieder zu Vico um. »Ich glaube, ich weiß, wer dieser Allow ist«, sagte er. »Aber es muss über zwanzig Jahre her sein, dass ich ihn zuletzt gesehen habe. Wo sind Sie ihm begegnet?«
    »Auf dem Maidan, Patrão. Er hat mich angesprochen und wollte wissen, ob ich für Sie arbeite. Ich sagte Ja, und da meinte er, er müsse Sie in einer dringenden Angelegenheit sprechen.«
    »In was für einer Angelegenheit?«
    »Geschäftlich, Patrão.«
    »Was für ein Geschäft? Was macht er?«
    »Er handelt mit der Art Fracht, die wir verkaufen müssen, Patrão. Mittlere Ebene, denke ich, kein Großhändler. Besitzt mehrere Opiumhöhlen und auch ein Vergnügungsboot.«
    Bahram war in den vergangenen Minuten hektisch auf und ab gegangen, doch jetzt blieb er abrupt stehen und erhob zornig die Stimme: »Ein Rauschgifthändler, Vico? Sie lassen einen Rauschgifthändler hier herein?«
    Es war zwischen ihnen immer klar gewesen, dass niemand die Niederlassung betreten durfte, der mit dem unteren Ende der Vertriebskette zu tun hatte. Diese Art Geschäft wurde außerhalb des Hongs betrieben, von Vico, und in den vergangenen Jahren hatte sich auch Vico nur noch selten mit Kleinhändlern, Inhabern von Opiumhöhlen und dergleichen abgeben müssen, weil die Fracht in der Regel schon vor der Küste verkauft wurde, bei Lintin oder noch weiter draußen auf See.
    Bahram hatte nie auch nur das Geringste mit den Heerscharen zwielichtiger Gestalten zu tun gehabt, die sich mit den inneren Details des Opiumhandels befassten. Dass jemand aus dieser Welt ihn zu sprechen wünschte, verblüffte ihn nicht weniger als die Tatsache, dass Vico den Mann eingelassen hatte.
    »Sind Sie verrückt geworden, Vico? Seit wann haben solche Leute Zutritt zu diesem Hong?«
    Doch Vico blieb fest. »Hören Sie, Patrão«, sagte er geduldig, »Sie wissen so gut wie ich, dass sich in den letzten Wochen bei uns nichts von der Stelle bewegt hat. Das hat es noch nie gegeben. Ich habe mit dem Mann gesprochen, und er hat einen interessanten Vorschlag zu machen. Den sollten Sie sich anhören.«
    »Hier? In meinem daftar?«
    »Wo sonst, Patrão? Besser hier als draußen, wo man Sie sehen könnte, oder nicht?«
    »Und wenn jemand den Mann hat hereinkommen sehen?«
    »Niemand hat ihn gesehen, Patrão, ich habe ihn durch den Hintereingang hereingeführt. Er wartet unten. Also, was soll ich tun? Wenn Sie das Risiko scheuen, schicke ich ihn wieder weg.«
    Bahram trat erneut ans Fenster und blickte hinab auf die vorbeieilenden Träger, die eifrigen Imbissverkäufer, die geschäftigen Büttel und die Taschendiebe. Angesichts des Trubels auf dem Maidan schien seine eigene Vorsicht übertrieben und unangebracht. Der Gedanke, dass er seinen Wagemut verloren hatte, war ihm unerträglich – hatte ihn nicht seine Risikofreude dorthin geführt, wo er jetzt war? Er holte tief Luft und drehte sich zu Vico um. »Gut«, sagte er, »führen Sie ihn herein. Aber passen Sie auf, dass der Munshi und die anderen ihn nicht sehen.«
    »Ja,

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