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Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Titel: Der rauchblaue Fluss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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verbotenen Stadt Klöster und Moscheen errichten konnten?
    Das war nicht immer so, erfuhr ich. Früher einmal lebten Hunderttausende von Achhas, Arabern, Persern und Afrikanern in Kanton. Zur Zeit der Tang-Dynastie (das ist die mit den herrlichen Pferden und Gemälden!) luden die Herrscher Ausländer ein, sich mit ihren Frauen, Kindern und Dienern in Kanton niederzulassen. Eigene Gerichtshöfe und Andachtsstätten wurden ihnen zugestanden, und sie durften sich frei bewegen. Bei den Arabern war die Stadt so berühmt, dass sie ihr einen Namen gaben, der so viel bedeutet wie »Olive«: »Zaitun«. Sogar Marco Polo hat sie besucht; wahrscheinlich hat er genau dort gestanden, wo ich jetzt stand!
    Mit diesen Enthüllungen noch nicht zufrieden, präsentierte mir Zadig Bey eine weitere, noch überraschendere.
    »Wissen Sie, wie der Perlfluss zu seinem Namen kam?«
    Nein, sagte ich, und er zeigte mit seinem Fernglas auf eine Insel im Fluss, nicht weit von der Ausländerenklave, ein schmaler Felsen mit ein paar bröckelnden Ruinen darauf, bei den Fanquis als »Dutch Folly« bekannt.
    »Aber die Chinesen haben einen anderen Namen dafür«, sagte Zadig Bey. »Sie nennen sie ›Perleninsel‹. Sie soll erst entstanden sein, nachdem ein Juwelenhändler aus Übersee – ob Araber, Armenier oder Hindustani, ist nicht bekannt, aber woher auch immer er kam, er war so ungeschickt, wie ein Juwelenhändler es nicht sein sollte – die schönste seiner Perlen in den Fluss hatte fallen lassen. Haben Sie gesehen, wie trüb das Wasser ist? Wie schnell Gegenstände darin verschwinden? Nicht jedoch diese Perle. Leuchtend wie eine Laterne lag sie am Grund und wurde mit der Zeit immer größer, bis sie zu einer ganzen Insel angewachsen war. Von da an erlangte die Wasserstraße, die eigentlich ›Westfluss‹ heißt, als ›Chu Kiang‹ oder ›Perlfluss‹ Berühmtheit.«
    Du kannst Dir vorstellen, wie perplex ich war.
    »Wie bitte?«, rief ich. »Der Perlfluss soll seinen Namen einem Achha verdanken? Sie erwarten doch nicht, dass ich das glaube!«
    »Doch.« Zadig Bey nickte. »Höchstwahrscheinlich hat es sich so zugetragen.«
    »Und dann?«, fragte ich. »Warum haben sie Kanton wieder verlassen, die Araber, die Perser und die Achhas?«
    »Das ist eine altbekannte Geschichte«, antwortete Zadig Bey. »Die Macht der Tang-Dynastie verfiel, und das Volk wurde unzufrieden. Es herrschte Hunger, es gärte im Land, und wie immer in solchen Fällen machten Unruhestifter die Fremden dafür verantwortlich. Eines Tages stürmte ein Rebellenheer die Stadt und brachte sie alle um. Männer, Frauen, Kinder – über hunderttausend Menschen wurden niedergemetzelt, und das Blut floss in Strömen. Die Erinnerung daran war so bitter und hielt sich so lange, dass sich keine Besucher von Übersee mehr hierherwagten.« Er lächelte stolz. »Aber schließlich kamen die Ausländer doch wieder zurück, und meine Familie war unter den allerersten.«
    »Armenier?«, fragte ich, und er nickte. »Ja. Einige kamen über Land von Lhasa her, wo es seit dem Ende der Spätantike eine große armenische Gemeinde gab. Andere kamen übers Meer, durch Persien und Hindustan. Im vierzehnten Jahrhundert lebten Hunderte von Armeniern in Kanton. Eine Armenierin hat sogar eine Kirche gebaut.«
    »Innerhalb der Stadtmauern?«
    »Möglicherweise. Aber das liegt fast fünfhundert Jahre zurück. Damals verliefen die Mauern noch nicht dort, wo sie heute verlaufen.«
    »Aber Ausländer konnten die Stadt noch betreten?«
    »O ja«, sagte Zadig Bey. »Das wurde ihnen erst vor ungefähr hundert Jahren verboten.«
    Wieder zeigte er mit dem Fernglas auf die Dutch Folly. »Als die Niederländer nach Kanton kamen, brauchten sie Grund und Boden für den Bau ihrer Lagerhäuser, wie die Portugiesen vor ihnen in Macao. Man überließ ihnen die kleine Insel, und sie baten darum, dort ein Hospital für ihre kranken Seeleute errichten zu dürfen. Das konnten ihnen die Chinesen unmöglich abschlagen, und so brachten die Niederländer Unmengen von Bottichen und Fässern an Land – mit Lebensmitteln und Baumaterial, wie sie sagten. Aber die Bottiche waren seltsam schwer, einer von ihnen fiel herunter, er zersplitterte, und heraus rollte eine Kanone! ›Wie kann Krankmann essen Kanone?‹, wurden die Niederländer gefragt, und natürlich wussten sie darauf keine Antwort. Unter dem Vorwand, ein Hospital zu errichten, bauten sie ein Fort! Doch selbst nachdem der Schwindel aufgedeckt worden war, griffen die

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