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Der Rauchsalon

Der Rauchsalon

Titel: Der Rauchsalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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als Mr. Quiffen den bewußten Stoß
erhielt«, sagte Bittersohn, aber nur halb im Scherz.
    Sarah legte ihre Gabel hin. »Sie können
einen wirklich aufmuntern, wissen Sie! Mr. Hartler kann es unmöglich gewesen
sein. Erstens hätte er gar nicht die Stufen heruntersteigen können, und
zweitens ist er viel zu alt.«
    »Wie alt ist er denn?«
    »Jedenfalls bestimmt älter als Mr.
Quiffen, wenn man ihn so sieht, und bedeutend gebrechlicher. Er hat sogar einen
Stock. Mr. Quiffen war stämmig und großtuerisch und hatte eine Art, einen Fuß
vor den andern zu setzen, die einen an Horatius auf der Brücke erinnerte. Es
war schon ein gehöriger Stoß nötig, ihn umzuwerfen. Aber man kann
wahrscheinlich nichts ausschließen.«
    »Also machen Sie sich am besten keine
Sorgen, solange es nicht unbedingt nötig ist. Ich kenne jemanden, der an der
Palastrenovierung beteiligt ist. Momentan ist er nicht in der Stadt, aber ich
werde mit ihm sprechen, sobald sich die Möglichkeit ergibt, und sehen, was er
über Hartler weiß. In der Zwischenzeit können Sie wie geplant weitermachen.
Zweifellos wird Hartler sehr bald auf der Matte stehen. Ich nehme doch an, daß
auch er Zeitung liest. Sie besitzen nicht zufällig selbst einen dieser
Palastschätze?«
    »Die Mr. Hartler dann stehlen kann,
sobald er eingezogen ist? Ich wünschte, ich hätte welche. Dann würde ich sie
auf der Stelle verkaufen. Wir hatten einen wundervollen Fächer aus
Pfauenfedern, mit dem Wappen von Hawaii auf einer Silberplakette in der Mitte,
aber als die Leute vom Iolani-Palast anfingen, Bostoner Familien zu bitten,
etwas zu stiften, hielt Alexander es für das Beste, ihnen den Fächer zu geben,
und das haben wir dann auch getan. Ich nehme nicht an, daß er viel wert war im
Vergleich zu den meisten anderen Gegenständen. König Kalakaua soll angeblich
100 000 Dollar allein für Möbel ausgegeben haben, und das war natürlich damals
eine ganz enorme Summe. Und dann gab es da noch den königlichen
Familienschmuck, der von einer Generation zur nächsten weitergegeben wurde, und
eine schwindelerregende Menge anderer Sachen.«
    »Ich weiß, und viel davon wurde nach
der Revolution für einen Appel und ein Ei versteigert«, sagte Bittersohn.
    »Ja, und wir Yankee-Pferdehändler waren
alle dabei und haben uns gegenseitig überboten«, fügte Sarah hinzu. »Ich würde
mich nicht wundern, wenn ein paar Kelling-Schmuckstücke auch daher stammten,
aber das werden wir wohl niemals herausbekommen. Wenigstens habe ich dank Ihrer
Hilfe Großmutter Kays Eisvogel bekommen.«
    Sie berührte die kostbare Brosche mit
dem Rubinauge und der prächtigen Barockperle, die vom Schnabel des Vogels
baumelte. Sie war alles, was Bittersohn von der einst so umfangreichen Sammlung
für sie hatte retten können.
    »Und von dem Fächer habe ich ein Foto.
Alexander hat es gemacht, bevor wir den Fächer weggeschickt haben, weil er
dachte, wir müßten ihn für die Nachwelt festhalten. Ich kann Ihnen das Bild
zeigen, wenn Sie mögen. Oder sind Sie wie mein Onkel Jem? Er sagt, er mag nur
Bilder von Fächern, wenn es dahinter Fächertänzerinnen gibt. Mr. Bittersohn,
was soll ich denn jetzt mit Miss Mary Smith machen?«
    »Das Beste, was Sie für die Frau tun
können, ist, sich so weit wie möglich von ihr fernzuhalten und sich ganz auf
Ihre Pension zu konzentrieren. Offiziell wissen Sie gar nichts von Mr. Quiffens
Tod, Sie kennen, nur die Informationen, die jedermann zugänglich sind. Er war
lediglich jemand, der bei Ihnen zur Miete gewohnt hat und durch einen Unfall
ums Leben gekommen ist. Sie halten es für selbstverständlich, daß Sie den Raum
sofort weitervermieten können, sobald man seine Sachen abgeholt hat. Wie weit
im voraus hat er bezahlt?«
    »Nur bis Ende dieser Woche.«
    »Dann ist ja alles klar, oder nicht?
Erzählen Sie diesem Mr. Hartler, daß er am Montag einziehen kann — oder an
jedem anderen Tag, der ihm paßt. Je länger der Raum leer steht, desto größer
die Möglichkeit, daß er in der Zwischenzeit etwas anderes findet, und desto
schwerer für Sie, das Zimmer wieder zu vermieten. Übrigens haben Sie mir immer
noch nicht verraten, wer im Souterrain wohnt. Da unten gibt es doch noch zwei
Zimmer, wenn ich mich recht erinnere, und den kleinen Raum mit dem Heizkessel
und der Waschmaschine. Hat das Zimmermädchen das eine Zimmer und der Butler das
andere, oder wie?«
    »Momentan gilt das ›oder wie‹«,
berichtete Sarah. »Mariposa und Charles teilen sich die alte Küche, weil

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