Der Rauchsalon
die sie ansonsten höchstens
bekommen hätte, wenn sie die Metropolitan Boston Transit Authority verklagt
hätte. Dolph hatte bereits gerichtliche Schritte erwogen, mit der Begründung,
daß es ganz im Sinne Quiffens sei.
Dolph hatte zweifellos recht. Barnwell
Augustus Quiffen war ein unglaublich streitsüchtiger, rachsüchtiger alter Mann
gewesen. Das Problem bestand nicht darin, herauszufinden, wer seine
persönlichen Feinde gewesen waren, sondern aus der Vielzahl seiner Feinde den
Richtigen herauszufinden. Aber Sarah wußte aus bitterer Erfahrung, daß es
besser war, die Finger von Dingen zu lassen, mit denen man nicht fertig wurde. Sie
versuchte, Mr. Quiffen so weit wie möglich aus ihren Gedanken zu verbannen, und
konzentrierte sich auf dringlichere Aufgaben.
Da es nicht nur einen, sondern gleich
zwei neue Gäste zu begrüßen galt, mußte das Abendessen am Montag ein
Galaempfang werden. Was es dann auch wurde. Mrs. Sorpende trug ihren
smaragdgrünen Kopfschmuck, Miss LaValliere, die endlich eingesehen hatte, daß
ihr Jerseyschlauch sie nicht weiterbrachte, erblühte in einem Arrangement aus
rosa Rüschen, das hervorragend auf Mr. Porter-Smiths weinroten Smoking
abgestimmt war, der sich zudem an diesem Abend mit einer extraschmalen Fliege
und einem extrabreiten Kummerbund aus verwegenem blau- und burgunderrotem
Karostoff ausstaffiert hatte.
Mr. Hartler stürzte enthusiastisch und
strahlend herein und trug den alten, ausgebeulten Smoking, der bei Männern
seiner Generation und seines gesellschaftlichen Hintergrundes aus der
Abendgarderobe nicht wegzudenken war. Kaum war er den anderen vorgestellt
worden, als er auch schon schnurstracks auf Mrs. Sorpendes Kopfschmuck zueilte
und sich daranmachte, die dazugehörige Dame mit der Beschreibung des blauen,
mit Pfauenfedern geschmückten Samtgewandes zu beglücken, das Königin Kapiolani
anläßlich ihres Staatsbesuches bei Königin Victoria bei B. Altman in Auftrag
gegeben hatte. Professor Ormsby stand schweigend daneben, diesmal als
Konzession an die feierliche Gelegenheit in einem schwarzen Rollkragenpullover
statt des gewöhnlichen braunen, und hatte sich entweder abstrusen
Höhenberechnungen hingegeben oder stellte sich gerade vor, wie Mrs. Sorpende
wohl in einem blauen Samtgewand mit Straußenfedern aussehen würde.
Charles bereitete sich schon darauf
vor, das Abendessen anzukündigen, und Mr. Bittersohn war immer noch nicht in
der Bibliothek aufgetaucht. Sarah wurde nervös und fragte sich, ob er überhaupt
noch kommen würde, als sie Jennifer LaValliere nach Luft schnappen hörte.
Soweit sich Sarah erinnern konnte, war
Max Bittersohn genauso gekleidet wie an dem Abend, als Harry Lackridge sie
einander vorgestellt hatte. Er trug einen dunkelgrauen Kammgarnanzug, ein
schlichtes weißes Hemd und eine unauffällige seidene Halsschleife. Er trug
keinerlei Schmuck, nicht einmal Manschettenknöpfe oder eine Krawattennadel, und
doch ging etwas von ihm aus, das alle anderen Anwesenden wie die letzten Gäste
eines ziemlich geschmacklosen Kostümfestes erscheinen ließ.
Damals bei den Lackridges war es
genauso gewesen: Harry in seiner schrecklichen alten Smokingjacke aus lila
Samt, die dem Anzug von Mr. Porter-Smith so verwirrend ähnlich sah, und Bob Dee
in seinem Rollkragenpullover und dem flotten Sportblazer. Alexander in seinem
alten Smoking, den er, wie auch Mr. Hartler seine Kleidung, möglichst oft trug,
damit er sich bezahlt machte. Einen Moment lang konnte sie vor lauter Tränen nicht
mehr klar sehen.
Aber Pensionswirtinnen verlieren nun
einmal nicht ohne weiteres vor ihren zahlenden Gästen die Fassung. Innerhalb
kürzester Zeit hatte sich Sarah bereits wieder gefangen und machte alle
miteinander bekannt, und Miss LaValliere gluckste »wahnsinnig« und »toll« oder
was auch immer das neueste Modewort ihrer Kreise war. Mrs. Sorpende war zwar
kultiviert wie immer, doch weitaus weniger überschwenglich. Sarah hatte sogar
das merkwürdige Gefühl, daß sie sich irgendwie mißtrauisch verhielt, obwohl sie
keinen blassen Schimmer hatte, was der Grund dafür sein könnte.
Fest stand jedenfalls, daß Mrs.
Sorpende um einiges älter war als ihr Gegenüber. Bittersohn konnte unmöglich
mehr als zehn Jahre älter sein als Sarah selbst, und Mrs. Sorpende war offensichtlich
eine sehr gut erhaltene Mittfünfzigerin oder noch älter, und Sarah, obwohl sie
eigentlich kein Bargeld besaß, das sie entbehren konnte, hätte ohne zu zögern
eine kleine Summe auf »noch
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