Der Rauchsalon
Skizzen. So habe ich Mr. Bittersohn auch
kennengelernt. Sein Verleger hat uns miteinander bekannt gemacht und mich für
eines seiner Bücher empfohlen. Aber dann bin ich — nun ja, Sie wissen ja alle,
was dann passiert ist, ich brauche Ihnen also nichts zu erklären. Die Fotos,
nach denen ich arbeiten sollte, habe ich immer noch oben in meinem
Arbeitszimmer, Mr. Bittersohn. Vielleicht können wir dort später unser Gespräch
fortsetzen, statt jetzt sämtliche Gäste damit zu langweilen.«
»Ich möchte Sie auf keinen Fall
drängen«, protestierte er sehr überzeugend.
»Aber ich brauche ab und zu einen
Anstoß. Ich wußte sehr wohl, daß ich mich wieder damit beschäftigen sollte,
aber allein konnte ich mich einfach nicht dazu aufraffen.«
»Kreative Arbeit muß wirklich sehr
anstrengend sein«, meinte Mrs. Sorpende. Doch sehr überzeugt sah sie dabei
nicht aus, dachte Sarah. Entweder sie spielten ihre Rollen nicht gut genug, was
Sarah befürchtet hatte, oder Mrs. Sorpende war eine bemerkenswert scharfsinnige
Frau.
»Ich kann Ihnen ein paar Fotos
herunterholen, wenn Mr. Bittersohn nichts dagegen hat.« Vielleicht würde das
den skeptischen Ausdruck aus diesem Mona-Lisa-Gesicht verschwinden lassen. »Sie
sind wirklich phantastisch. Das Buch ist über antiken Schmuck. Mr. Bittersohn
ist ein ausgesprochener Fachmann auf diesem Gebiet, auch wenn er selbst zu
bescheiden ist, es zuzugeben.«
»Wie kann ich bescheiden sein, wo ich
doch gerade ein Buch darüber schreibe?« erwiderte er.
»Ich dachte, die Juwelierszunft oder
wie sie sich nennt, hätte Sie dazu gezwungen. Sagten Sie nicht, man hätte Ihnen
einen Zuschuß bewilligt?«
»Das habe nicht ich gesagt, sondern das
hat offenbar unser gemeinsamer Freund oder wie Sie ihn auch immer nennen mögen,
getan.«
»Ach du liebe Zeit, habe ich jetzt etwa
ein Geheimnis verraten?«
»Macht nichts. Jedenfalls nehme ich an,
daß es die Anwesenden vor allem interessiert, daß ich unter ihnen wohne und
nicht über ihnen, so daß sie nicht mitanhören müssen, wie jemand auf seiner
Schreibmaschine herumhämmert.«
Oder auch, wie er nicht herumhämmerte.
Was Mariposa und Charles betraf, so machten die beiden in ihrer Freizeit selbst
soviel Krach, daß es sie wohl kaum stören oder ihnen überhaupt auffallen würde,
und außerdem waren sie zu anständig, um ihn zu bespitzeln.
Sarah stellte ihre Glaubwürdigkeit als
Illustratorin unter Beweis, indem sie den Anwesenden die vier Bücher
präsentierte, an denen sie und Alexander gearbeitet hatten, sowie das Buch, das
sie allein illustriert hatte. Dann ging sie Bittersohns Fotografien aus ihrem
Arbeitszimmer holen, das sie selbst eingerichtet hatte, nachdem sie alle Möbel
verkauft hatte, die zu Tante Carolines sogenanntem Boudoir gehört hatten, und
in das sie eine arg mitgenommene Kommode, einen Tisch und einen Stuhl hineingestellt
hatte. Da das Zimmer auf der Straßenseite lag, hatte sie einfache weiße
Vorhänge aufgehängt, damit es auch nach etwas aussah. Das Zimmer war jetzt
richtig hübsch, dachte sie, als sie in den Schubladen herumkramte. Und was für
ein glücklicher Zufall, daß sie vergessen hatte, diese scheinbar nutzlosen Fotos
wegzuwerfen, als sie das Zimmer umgeräumt hatte. Wenigstens konnten sie jetzt
dabei helfen, Mrs. Sorpende von etwas zu überzeugen, was möglicherweise sogar
die Wahrheit war.
Die wohlproportionierte Schönheit
zeigte dann auch tatsächlich Interesse an den Schmuckstücken. Mr. Hartler
schaute die Bilder kurz durch, um festzustellen, ob auch Diamanten aus Hawaii
dabei waren, fand jedoch keine und ging wieder dazu über, lange Ausführungen
über König Kalakauas vergoldete Schaukästen zu machen. Miss LaValliere redete
wie ein Wasserfall, ohne die Bilder auch nur anzusehen, und fragte Mr.
Bittersohn, wie man sich am besten die richtigen Verlobungsringe zulegen könne,
und interessierte sich dafür, ob er zufällig in der letzten Zeit jemandem einen
solchen gegeben habe. Als die rituelle halbe Stunde vorüber war, sprang Mr.
Bittersohn wie eine aufgeschreckte Gemse von ihrer Seite und eilte hinter Mrs.
Kelling die Treppe hinauf.
Kapitel
9
A lso«, sagte Sarah, nachdem sie einen
zusätzlichen Stuhl aus ihrem Schlafzimmer geholt hatte und sie es sich beide in
ihrem Arbeitszimmer bequem gemacht hatten, »worüber möchten Sie denn nun
wirklich sprechen? Doch wohl sicher nicht über die Verschlüsse von Halsketten?«
»Richtig. Obwohl Sie vielleicht
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