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Der Rauchsalon

Der Rauchsalon

Titel: Der Rauchsalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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Der Hausfrieden war zumindest oberflächlich
wiederhergestellt, und das genügte ihr.
    Trotzdem zog sich Sarah so schnell wie
möglich zurück, und die ganze Gesellschaft brach mit ihr auf. Professor Ormsby
mußte einen weiteren Vortrag halten, Mr. Hartler ließ sich von Charles ein Taxi
bestellen und raste in wilder Jagd davon, um endlich die Stühle von König
Kalakaua aufzuspüren. Mr. Porter-Smith gelang es nicht, Miss LaValliere dafür
zu begeistern, bei Mondschein das Bunker Hill Monument zu erklimmen, sie ließ
sich jedoch dazu überreden, ihre neue Haartracht in einem Café der
Öffentlichkeit vorzuführen. Mrs. Sorpende war die einzige, die nirgendwo
hinging, und Sarah ließ die Pralinen in Reichweite neben ihr auf dem Tisch
zurück, als stillschweigende Anerkennung für ihren großartigen Einsatz.
    Entweder waren die Süßigkeiten zu
verlockend oder nicht verlockend genug, jedenfalls war Sarah kaum in ihren
Morgenmantel geschlüpft und hatte sich etwas frisch gemacht, als sie auch schon
würdevolle Schritte im Treppenhaus vernahm. Obwohl sie überhaupt nicht in der
Stimmung für Gesellschaft war, fühlte sie sich verpflichtet, die
Schlafzimmertür zu öffnen.
    »Mrs. Sorpende, würden Sie bitte für
einen Moment hereinkommen?«
    »Aber natürlich.« Mit der üblichen
heiteren Liebenswürdigkeit, eine winzige Falte zwischen den perfekt gezupften
Brauen, trat Mrs. Sorpende in Sarahs Zimmer.
    »Ich wollte Ihnen nur dafür danken, daß
Sie so nett eingegriffen haben heute abend. Ich bin sicher, daß es keiner
bemerkt hat, weil Sie so unendlich diskret und taktvoll waren, aber ich kann
Ihnen kaum sagen, was es für mich bedeutet hat.«
    Die Tränen, die Sarah seit Max
Bittersohns Anruf zurückzuhalten versucht hatte, ließen sich mit einem Mal
nicht länger zurückhalten. Sie griff nach den Taschentüchern auf der
Frisierkommode und versuchte, die Tränenflut einzudämmen.
    »Es tut mir leid«, schnüffelte sie.
»Das wollte ich wirklich nicht. Es ist bloß so, daß ich seit dem Tod meines
Mannes — «
    »Aber liebe Mrs. Kelling, ich verstehe
Sie ja so gut. Ich persönlich habe allerdings die meisten Tränen vor dem Tod
meines Mannes vergossen«, sagte Mrs. Sorpende mit einem für sie unüblichen Maß
an Offenheit. »Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen heute abend irgendwie behilflich
gewesen sein sollte, so kann ich nur sagen, daß es mich sehr freut.«
    Was für ein Schatz diese Frau doch war!
»Setzen Sie sich doch einen Moment«, drängte Sarah, »der Sessel hier ist sehr
gemütlich, es sei denn, Sie fänden ihn zu niedrig. Meine Schwiegermutter hat
ihn oft benutzt, und sie war noch größer als Sie.«
    »Diese schöne, tragische Frau«, sagte
Mrs. Sorpende. »Es ist seltsam, sich vorzustellen, daß ich jetzt da sitze, wo
sie immer gesessen hat. Als ich darüber in der Zeitung las — aber sicher
möchten Sie lieber von etwas ganz anderem reden. Vielleicht über die neuen
Stühle von Mr. Hartler?« Sie lachte ihr freundliches, angenehmes Lachen. »Er
ist richtig enthusiastisch, finden Sie nicht? Auch wenn man gelegentlich den
Eindruck hat, daß nicht alle Menschen seine Begeisterung teilen.«
    »Ich jedenfalls bestimmt nicht! Wie Sie
vielleicht schon an den Unmengen von Dingen bemerkt haben, mit denen er mich
heute Abend überschüttet hat, hatten wir heute nachmittag eine kleine
Auseinandersetzung. Ich mußte ihm klipp und klar sagen, daß seine
Besucherkarawane hier nicht länger geduldet werden kann. Diese Leute haben so
viele Unannehmlichkeiten verursacht, daß ich völlig außer mir war. Jetzt
bedaure ich es natürlich.«
    »Ich glaube, wir alle bedauern
irgendwann Dinge, die wir getan haben. Aber stellen Sie sich bloß vor, wir
wären alle perfekt! Für Sie ist es sicher nicht einfach, Ihr schönes Haus mit
einer so gemischten Gesellschaft von Fremden bevölkert zu sehen, wie wir es
sind.«
    »Ab und zu«, gab Sarah zu, »aber im
großen und ganzen ist es weit weniger schwierig, als wenn ich versuchen würde,
hier ganz allein zu leben. Ich würde mich einsam fühlen und mir Sorgen machen,
wie ich über die Runden käme, und Angst haben, allein in diesem riesigen Haus
zu sein. Jetzt habe ich ständig so viel zu tun, daß ich keinen Moment Zeit zum
Grübeln habe. Außerdem war dies hier nie mein Zuhause.«
    »Aber ich hatte den Eindruck — « Mrs.
Sorpende konnte sich gerade noch beherrschen. Beinahe hätte sie eine primitive
Neugier gezeigt.
    »Oh, ich habe hier zwar seit meiner
Hochzeit gewohnt, wenn Sie

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