Der Rebell - Schattengrenzen #2
um uns zu überwachen.«
»Weil er so plötzlich Chris’ Körper verlassen hat?«
Daniel nickte. Seine Bartstoppeln kratzten an Olivers Wange.
»Du hast schon recht. Wahrscheinlich wollte er längerfristig Chris als seinen Wirt nutzen.« Er löste sich aus Daniels Umarmung, um die Pfannkuchen auf Teller zu schieben und zu füllen. »Hat so etwas eigentlich Nebenwirkungen auf den Wirt?«
»Normal ja, aber Chris ist ziemlich fit, dafür, dass er den leidenden Patienten mimt.«
»Mein Bruder hat diese Technik perfektioniert.« Oliver wurde ernst. »Was für Folgen könnte es denn geben?«
»Das geht bei Kreislaufstörungen und plötzlich auftretender Herzschwäche los und endet bei akutem Organversagen oder Gehirnblutung.«
»Was?« Olivers Herz setzte einen Moment aus. »Aber Chris …«
»Ihm scheint wenig bis nichts passiert zu sein, nur die äußeren Auswirkungen, mit denen sich der Geist Zugang zu seinem Wirt verschafft hat.« Er klang nachdenklich.
»Was geht dir durch den Kopf?«
Er hob die Schultern. »Zu viele Möglichkeiten. Vielleicht wollte er keinen weiteren Schaden anrichten …«
»Aber bei mir?« Oliver fuhr sich unter der Kehle entlang.
Daniel schwieg einen Moment. Sein Blick richtete sich nach innen. Schließlich zuckte er mit den Schultern. »Wahrscheinlich hätte er mich auch angegriffen, wenn ich ihm zuerst begegnet wäre.« Langsam, etwas steifbeinig, ging er in die Knie und nahm Opa hoch. Die Häsin kuschelte sich an ihn, hielt aber wachsam beide Ohren oben.
Oliver beobachtete die beiden.
Möglicherweise traf dieser Gedankengang zu, insofern Daniels Wächter-Theorie stimmte.
»Kann es sein, dass er uns beide gefürchtet hat?«
Er richtete sich aus seiner unbequemen Position auf.
»Ich denke mal, dass er uns als Gefahrenquelle identifiziert hat und unschädlich machen wollte.«
»Das wäre zumindest eine logische Erklärung. Bleibt nur die Frage, was ihn zu diesem Schritt gezwungen hat. Genauso gut hätte er sich einfach weiter versteckt halten können.«
»Nicht ganz.« Daniel wies mit dem Kopf zur Pfanne. »Die Pfannkuchen brennen an, Olli.«
Tatsächlich roch es leicht rauchig.
»Verdammt!« Er wirbelte herum und drehte die Gasbrenner aus.
Daniel reagierte schnell, indem er Opa absetzte, Teller herausnahm und sie ihm hinhielt. Wenig elegant stürzten zwei dunkle Teigfladen auf das weiße Porzellan.
»Scheiße.« Ärgerlich stellte Oliver die Pfannen ab. »Die kann ich George und Matthias nicht vorsetzen.«
»Dann essen wir zwei die Dinger. Ist doch kein Drama.«
Zweifelnd musterte Oliver ihn.
Demonstrativ riss Daniel sich ein Stück ab und schob es sich in den Mund. Genüsslich kaute er darauf herum.
»Wenn’s nicht angebrannt wäre, könnte man’s glatt essen.« Er zwinkerte. »Geht schon, Olli.«
»Ich warte lieber noch eine Viertelstunde. Wenn du dann noch lebst, versuche ich es auch.« Er wurde wieder ernst. Während er die nächsten Pfannkuchen vorbereitete, fragte er: »Was meintest du mit deinem Kommentar nicht ganz ?«
»Wir haben aktiv nach ihm gesucht. Das bedeutet, dass er sich in die Enge gedrängt fühlte.«
»Du meinst, er hat eher instinktiv als gezielt gehandelt?«
Daniel nickte. »Bestimmt.«
Oliver belegte die ersten beiden verkohlten Pfannkuchen mit Käse und füllte sie mit dem Gemüse, klappte sie zu und befeuerte den Backofen, um die Teller warm zu halten.
»Instinktiv«, murmelte er.
Der alte Mann in der Reha war auch eine geisterhafte Manifestation gewesen. Er schien entweder an den Raum gebunden gewesen zu sein, was wahrscheinlich war oder er hatte seine Nähe gesucht. Zumindest schien es ihn beruhigt zu haben. Vielleicht war er ihm deswegen auch nicht ein weiteres Mal begegnet.
»Diesen Mann wiederum nicht. Warum?«
»Was sagtest du?«
Oliver schüttelte den Kopf. »Nichts, Daniel.«
Was, wenn sich diese Seelen einfach nur wünschten, wie Menschen behandelt zu werden? Diese Theorie führte zu Daniels Kommentar zurück. Der Geist hatte sich Chris als Wirt ausgesucht, um aus dem alten Haus zu fliehen. Aber vor was?
Konnte es sein, dass diese Erscheinungen immer noch ihre menschlichen Gefühle in sich trugen? Konnte ein Geist Freude, Glück, Liebe, Angst, Wut oder Hass empfinden?
Der alte Mann in der Reha war glücklich gewesen, fraglos.
Dann waren diese Seelen nichts anderes als mehr oder minder körperlose Menschen, die einfach ihren Tod vergessen hatten oder wirklich noch eine Aufgabe erfüllen mussten. Wer band sie an ihre
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