Der Rebell - Schattengrenzen #2
Ich finde es schön, dass Sie ihm beistehen.«
»Was hat Daniel eigentlich?«
Der Arzt zog die Nadel aus Daniels Vene. »Jedenfalls keine Epilepsie.« Er warf die Spritze in eine Metallschale. »Ich muss noch auf die Blutwerte warten. Generell würde ich von einer extremen Form der Überanstrengung ausgehen.«
Er stand auf und regulierte den Infusionsdurchlauf. Etwas von Daniels Blut faserte in den transparenten Schlauch.
»Was macht er beruflich?«
Oliver fing Daniels Blick auf, der wach, aber erschöpft an ihm klebte. Wenn er sprechen konnte, warum tat er es nicht oder sparte er sich seine Kräfte für den Moment, wenn sie allein waren? Sanft strich Oliver Daniels Haar aus der Stirn.
»Er ist Kriminalbeamter, Kommissar.«
Der Assistent gab einen spöttischen Laut von sich.
Ohne darauf einzugehen, nickte der Arzt. »Geschah das in Ausübung seines Berufes?«
»Sie meinen, ob er im Kampf verletzt wurde?« Oliver schüttelte den Kopf.
»Ich frage wegen der Berufsgenossenschaft. Äußere Verletzungen konnte ich keine an ihm feststellen. Das Ganze geht für mich auf einen Schock in Kombination mit starker Überarbeitung zurück. Aber ich muss angeben, ob es privat oder dienstlich passiert ist.«
Großer Gott, diese Frage … Generell galt es wohl als dienstlich, aber im Speziellen konnte er nirgends diese Situation verständlich erklären. Privat, ob das in Daniels Sinn war?
»Privat. Er hat mich vorhin zum Haus meines Großvaters begleitet. Da ist es passiert.«
»Okay, und was ist passiert?«, fragte der Assistent. In seiner Stimme schwang ein scharfer, dennoch herablassender Unterton mit. Was hatte der Typ eigentlich gegen Daniel?
Oliver presste die Kiefer aufeinander.
»Wäre es möglich, dass wir uns in einem Ton unterhalten, der nicht von Ihrer persönlichen Abneigung gegen Daniel und mich, Punks und Schwule im Allgemeinen geprägt ist?« Er starrte den Assistenten an. Der Mann zuckte kurz. Seine Kiefermuskeln bebten. Für einen Moment sah es so aus, als wolle er zurückschießen, unterließ es aber.
»Danke.«
Der Arzt verschränkte die Arme vor der Brust. »Waren Sie dabei, als das passierte?«
Oliver schüttelte den Kopf. »Ich bin erst durch das beständige Handyklingeln aufmerksam geworden.«
»Gut oder auch nicht. Dann müssen wir warten, bis unser junger Freund wieder in einem Stück ist.«
»Er bleibt hier, oder?«
»Ja, in jedem Fall. Ich muss auf die Blutwerte warten, möchte ihn gern auch heute Nacht unter Überwachung behalten und habe vor, noch ein paar eingehende Gespräche mit Herrn Kuhn zu führen.«
»Kann ich noch eine Weile bei ihm bleiben?«
Der Arzt lächelte plötzlich herzlich. »Natürlich.«
Nachdem alle medizinischen Fachkräfte das Behandlungszimmer verlassen hatten, entspannte Oliver sich.
Daniel lag leicht verkrampft auf der Kunststoff-Liege und verdrehte sich den Kopf.
Oliver setzte sich an seine Seite, nahm seine Hand und hielt sie fest. »Habe ich das Richtige gesagt?«
Daniel nickte. Ein erschöpftes Lächeln huschte über seine Lippen. Der Druck seiner Finger verstärkte sich, ein leichter Zug folgte. Daniel wollte, dass er näher kam. Demnach stand es gar nicht gut um seinen Zustand.
»Was hast du gesehen … was erlebt?«
»Warum? Kann das nicht warten, bis du wieder auf den Beinen bist?«
Abgehackt schüttelte er den Kopf.
»Wir waren im Archiv und haben eine der Kisten mit alten Büchern geöffnet. Plötzlich füllte sich das Gewölbe mit diesen Nebelgestalten.«
Daniels Griff verstärkte sich fast schmerzhaft. »Weiter.«
»Ich hatte das Gefühl, sie wollten angreifen. Da habe ich etwas gesagt, vielleicht was ziemlich Dummes.«
Auffordernd nickte Daniel.
»Na ja, dass ich ihr neuer Herr bin.«
Der Griff brannte bereits. Daniels Körperkräfte hatten nicht abgenommen. Im Gegenteil. Es machte eher den Eindruck, als nähmen sie wieder zu.
»Wann war das?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht fünf Minuten, bevor dein Handy losging. In jedem Fall …«
Daniels Finger berührten seine Lippen.
»Walter Markgraf ist tot.« In Daniels Stimme lag keine Frage. Es handelte sich um eine Feststellung.
Oliver nickte. »Weißhaupt sagte es mir vorhin.«
Daniel nickte mit einer grausamen Selbstverständlichkeit. Für einen Moment schloss er die Augen und sammelte sich.
»Er wird in der Sekunde gestorben sein, in der du gesagt hast, dass du ihr neuer Herr bist. Du hast ihn abgelöst.«
Hass
D ie Masse der schlechten Nachrichten schien
Weitere Kostenlose Bücher