Der Rebell - Schattengrenzen #2
beiden macht?«
Das war ein Grund auszurasten. Olivers Kiefer mahlten. Langsam sah auch Christoph zu der kleinen Dampfnudel hinunter. Seine Brauen zuckten vielsagend.
» Boah Vorsicht, der andere schaut schon so böse …«
Natürlich sprach aus der kleinen Bazille der reine Spott. Er wusste genau, dass niemand sich so gehen ließ, ihm eine Ohrfeige zu geben.
In einer Mischung aus Ärger und dem Wunsch, zurückzuschießen, ballte Oliver die Fäuste. Zuschlagen? Kaum, aber das Bedürfnis diesen kleinen Mistviechern einen Denkzettel zu verpassen, war groß. Als sich die Glastrommel in den Eingangsflur öffnete, griff Camilla nach seiner Hand und zog ihn rasch nach draußen. Kaum hatten sie die Tür passiert, stockte die gesamte Elektrik und die drei kleinen Dampfnudeln saßen fest.
Mit einem breiten Grinsen klopfte sie Oliver auf die Schulter.
»Warst du das?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Wer weiß?«
In dem nüchternen grauweißen Wartebereich saß Weißhaupt auf einem der blauen Kunststoffschalensitze, beide Ellbogen auf die Knie gestützt, mit hängendem Kopf.
»War schon ein Arzt da?« Oliver setzte sich neben ihn.
»Nein, ich glaube nicht einmal, dass sie sich Daniel schon angesehen haben.« Er wies in den weißen, unwirtlichen Raum. »Seht euch doch mal an, wie viele Leute hier herumhocken und warten. Einige davon sind selbst Patienten.«
Das traf zu. Arme in Schlingen, Leute auf Krücken, Gipsbeine, Rollstühle … ziemlich offensichtliche Verletzungen, eine Ambulanz eben.
Seufzend sank Oliver zurück. Das billige Plastik ächzte vernehmlich.
»Hallo Bernd.« In Camillas Mimik lag wieder die altbekannte Sorge. All die kleinen Dinge, die passierten, lenkten immer nur kurzzeitig von den eigentlichen Problemen ab.
»Camilla, Christoph. Setzt euch.« Weißhaupt straffte sich. »Was sollte deine kryptische SMS eigentlich, Camilla?«
Sie verzog das Gesicht, ging aber auf den unterschwelligen Vorwurf nicht ein.
»Die ging nicht an dich, Bernd«, sagte Christoph leise. »Daniel hätte sie sicher verstanden.«
Oliver nickte zustimmend. »Er hat sie auch gelesen, denke ich.«
Überrascht hob Camilla den Kopf. »Wirklich?«
»Ja. Er sagte mir, dass ich Herrn Weißhaupt nach einer Empuse …«
»Sag Bernd, das Herr Weißhaupt geht mir auf den Nerv, Oliver.«
»Okay, er sagte, ich solle Bernd danach fragen.«
Camilla zog die Brauen zusammen. »Und warum?«
»Weil er gemerkt hat, dass ich mir sein Handy gegriffen habe. Da war deine SMS drauf.«
»Oh, das wusste ich nicht.« Camilla nickte schwach.
»Als wir zwei aus dem Archiv kamen, klingelte es durchgängig«, erklärte Weißhaupt.
Oliver räusperte sich. »Wer war eigentlich der Anrufer?«
In Weißhaupts Mimik zuckte es. Er schwieg.
Camilla gab ihm einen sanften Schubs. »Bernd, was ist los?«
Ärgerlich erwiderte er ihren Blick, bevor er sich zu Oliver wandte.
Etwas Schlechtes musste passiert sein. In der erschöpften Mimik Weißhaupts glomm etwas wie ein Funken Mitleid auf.
Ein ungutes Ziehen erwachte in Olivers Magen.
»Eigentlich wollte ich dir das erst später sagen, wenn die beiden Kleinen auch da sind.« Er zögerte.
Die Art der Ansprache kannte Oliver. Er presste die Lippen aufeinander. Walter, vielleicht lag es an all dem, was passiert war, der Masse an Geschehnissen und dem Testament, aber es konnte sich nur um Walter handeln.
»Matthias rief aus der JVA Frankfurt an. Dein Großvater ist vorhin gestorben.«
Die Tränen und die Trauer blieben aus. Ein Gefühl von Leere mischte sich mit dem leisen Versickern jedes äußeren Eindrucks. Der Tod bedeutete nichts weiter, als dass sie nun offiziell allein auf sich gestellt waren.
Alle Tore öffneten sich für Amman Aboutreika . Was immer er wollte, er war seinem Ziel einen großen Schritt nähergekommen.
Oliver erhob sich. Warum fühlte er sich so taub? Weder die Schulter noch seine Muskeln schmerzten. Da war einfach nichts.
Er verließ den Warteraum. Die Personen waren nur Staffage, nicht viel mehr als der Hintergrund bei einem Bild, keine lebenden Einzelschicksale mehr. In dem verwinkelten Flur, jenseits der Tür, blieb er stehen und ließ sich gegen die Wand sinken. In der Stille lag Lärm. Unter all der Betäubung rauschte eine Sturmflut.
Die Nachricht ließ alle Eindrücke verebben. Dennoch bohrte unter allem ein scharfsaures Gefühl, das sich durch Magenwände ätzte und sich überallhin auszubreiten vermochte, Angst, blanke Angst vor der Zukunft. Jetzt nahm der
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