Der Rebell - Schattengrenzen #2
Albtraum reale Form an. Jenseits des Tages würde Aboutreika warten.
»Trink was.«
Christoph hielt ihm einen Becher stilles Wasser hin.
Es war klar, dass jemand zu seinem Aufpasser ernannt wurde. War er denn noch immer ein Kind?
Mit einem knappen Nicken griff er nach dem Plastikbecher.
Wortlos lehnte sich Chris neben ihn gegen die Wand. Er senkte die Lider und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Wollte er nicht reden? Das machten die anderen doch immer.
»Danke.« Mit kleinen Schlucken trank er. Die Kälte des Wassers weckte einen Teil der Realität.
Hier draußen war es still, aber Christophs und seine Atemzüge klangen deutlich. Die Stimmen der Wartenden und der Patienten erwachten in dumpfem Gemurmel. Auf dem Flur quietschten Schuhe mit Gummisohlen. Eine dickliche, freundlich lächelnde Schwester mit kaffeebrauner Haut und einem Bündel Einmalhandtücher im Arm nickte ihnen zu und zog an der rot-weißen Kette, mit der die Türen öffneten. Ein mechanischer Laut erklang. Einen Moment später fluteten viele Stimmen nach draußen.
Sie ging weiter und verschwand hinter den Stuhlreihen.
»Schwester Justin.«
»Wie?« Oliver wandte sich Chris zu.
»So heißt sie.«
»Du kennst die Frau?«
Christoph nickte. »Ich arbeite hier als Pfleger.«
»Oh … Ich weiß, das ist eine saublöde Art zu kommentieren.«
Chris nickte. »Richtig.« Er lächelte.
Seine Gegenwart und sein ganzes Wesen waren unglaublich angenehm. Er hielt sich zurück, war einfach da, genau wie Daniel.
»Ich weiß, dass ich mich völlig bescheuert benehme, vor allem, weil Walter und ich nicht miteinander konnten. Aber momentan bricht alles über mir zusammen, und ich weiß nicht, was ich machen soll.«
Chris ließ den Kopf in den Nacken fallen. »Du hast Angst vor der Zukunft. Das ist logisch. Du wärest dumm, wenn du auf Wunder hoffst. Die gibt es nicht. Aber ich glaube, dass du eines bist, Olli.«
»Was?«
»Sehr stark. Du weißt, was du willst und du bist in der Lage, für alle da zu sein, wenn sie dich brauchen, besonders für deine kleinen Brüder, Daniel und deine Freunde.«
»Freunde? Du meinst richtige Freunde, außerhalb meiner nächsten Familie?«
Christoph nickte.
Oliver atmete aus. Gerade wünschte er sich eine Zigarette. Aber das war hier nicht drin. »Daniel. Er ist mir von allen am nächsten. Einen besseren und treueren Freund hatte ich noch nie.« Und nun lag er hier, in der Klinik, weil er geholfen hatte, dass Weißhaupt und ihm nichts passierte. Bei dem Gedanken zog sich sein Herz zusammen.
Bevor der Stich in seiner Brust zu mächtig wurde, schüttelte er den Gedanken ab.
»Camilla ist meine Freundin und du wirst gerade zu einem Freund.« Er lächelte matt. »Ich weiß ja, dass du mich schon durch sie kennst.« Er hob die Schultern. »Du bist ein unheimlich lieber, sensibler Mensch.«
Chris lachte auf. »Das hat mir bisher noch keiner gesagt. Lern mich erst mal kennen.« Zwinkernd schüttelte er den Kopf.
»Ansonsten habe ich nur Weißhaupt, Matthias und die anderen Beamten. Aber bis auf Matthias, mit dem ich mich ständig in die Wolle bekomme, sind die anderen eher gute und weniger gute Bekannte, Menschen, die ich mag, aber niemand, der mir so viel bedeutet.«
»Lieber eine Handvoll wirkliche Freunde, als ein Rudel Kumpels, mit denen du nur oberflächlichen Müll besprechen und saufen kannst.«
»Schon richtig.« Oliver schloss die Augen. »Ich wünschte nur, es würde wieder etwas mehr Ruhe in mein Leben einkehren.«
»Das verstehe ich gut. Für Camilla und mich wurde es auch erst ruhiger, als wir hierher kamen. In Berlin gab es kaum einen Ort, an dem wir, besonders sie, zur Ruhe kommen konnten.«
Oliver blinzelte. »Ich würde gern mehr über euch beide erfahren.«
»Wenn euer Leben wieder in die Reihe kommt, haben wir Zeit dafür, in Ordnung?«
»Wahrscheinlich. Nur ist es immer einfacher, sich auf die Sorgen anderer zu konzentrieren, als auf die eigenen.«
Christoph lachte. »Wie alt bist du, Oliver?«
»Sechzehn, warum?«
»Weil du ein ziemlich hohes Maß an Selbsterkenntnis mitbringst. Das ist wirklich nicht normal in deinem Alter, aber Daniel hatte mich schon vorgewarnt.«
»Vielleicht weil ich der Älteste bin und immer die Familie zusammenhalten wollte. Ich glaube, da wird man schneller erwachsen.«
Chris nickte. »Jede Art von Belastung wirkt sich auf dich aus. Du hast wahrscheinlich auch wenig Zeit gehabt, Kind zu sein.«
Das ließ sich schwer leugnen. Trotzdem sträubte sich
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