Der Rebell - Schattengrenzen #2
Wächter zurück.
Was für ein ungeschickter Kerl. Er war riesig, massig, benahm sich aber wie ein kleiner Hund. Allein dieses Verhalten verwehte alle Scheu. Oliver streckte ihm die Finger entgegen. Der augenlose Schädel drängte sich an seine Hand, rieb dagegen. Er schien sich darüber zu freuen.
Wo blieb die übliche, unangenehme Art der Kommunikation? Seltsam, sonst versuchten diese Wesen doch immer, in seinen Geist einzudringen. Dieser hier nicht. Er ließ nur seinen schweren Schädel auf Olivers Knie sinken. Während er sich hinsetzte, fielen die Albenstapel auf dem Boden um.
»Was machst du hier?«
Der Wächter hob kurz den Kopf. Einen Moment später öffnete er sein Maul und griff mit den vorderen Zähnen beinahe behutsam nach Olivers Ärmel. Das Ziehen war so sacht wie das ganze Wesen. Nichts an ihm erinnerte an die reißenden Bestien.
Ein Trick? Nein, dazu waren diese Wesen nicht fähig. Mit einem Blick zu Opa, die plötzlich aufmerksam und hellwach neben ihm hockte, erhob er sich aus seiner Position.
Fraglos, er schlief. Rein theoretisch wären seine Beine in dieser Haltung eingeschlafen. Aber er spürte nichts.
»Wohin bringst du mich?«
Der Wächter zog ihn zum Fenster. Ein letztes, nervöses Flackern erwachte, als das Wesen langsam rückwärts in die spiegelnde Fläche eintauchte. Es wirkte plötzlich flüssig, wie schwarzes Wasser, das in konzentrischen Kreisen verdrängt wurde und ruhig den massigen Torso umspülte.
Irritiert musterte Oliver den Wächter. »Da hinein?«
Mit sanfter Gewalt zog das Wesen an seinem Ärmel.
Ein klares Ja . Aber lauerte dort nicht die Welt hinter den Spiegeln? Eisige Schauder rannen ihm über seinen Rücken. Im gleichen Augenblick lief eine Lichtwelle über das Wasser. Die Gestalt des Wächters flimmert leicht. Irritiert kniff Oliver die Augen zusammen. Was war das?
In den Wogen begann die Form des Wächters auseinanderzulaufen, eine neue Gestalt anzunehmen, eine weitaus humanoidere . »Was …« Er brach ab. Der augenlose Schädel hatte sich verändert. Gutmütig schaute ein kleiner, alter Mann zu ihm auf, der seinen Ärmel hielt. Das Gesicht war ihm aus der Reha wohlvertraut. Lederflicken an den Ärmeln der Jacke, und der Duft nach feuchtem Laub lag in der Luft. In den Augen des Mannes lag noch immer die Freude über seinen letzten Sonnenuntergang.
»Sie?«
Er nickte. Als er lächelte, saß seine Prothese wieder dort, wohin sie gehörte. Er wirkte lebendig.
»Wohin bringen Sie mich?«
Der Alte legte den Kopf schief. »Ich bin hier, um dir einige neue Möglichkeiten zu zeigen, Wege, die du und dein halb toter Freund nicht kennen.«
Oliver zuckte zusammen, als das Spiegelwasser seine Hand streifte. Es fühlte sich nicht kalt an, nicht wie normale Flüssigkeit, mehr wie Gel, das ihn einschloss. Konnte er hier atmen?
Ein harter Kloß, den er nicht hinunterschlucken konnte, bildete sich in seiner Kehle. Halb toter Freund? Wen meinte er? Daniel?
Mit einem Ruck zog der Alte ihn zu sich.
Erschrocken schnappte er nach Luft, die plötzlich nicht mehr da war. Schwer floss etwas in Mund und Nase.
Atmen, er musste atmen, sofort, sonst erstickte er.
Instinktiv presste er Lippen und Augen zusammen, versuchte die Luft anzuhalten. Keine Chance. Nebenhöhlen und Lungen brannten von dem, was in ihn eingedrungen war. Druck steigerte sich auch in seinen Gehörgängen.
Die Masse drängte nach außen, dehnte sich aus. Auf seiner Brust lastete irrer Druck. Der Alte riss noch stärker an ihm. Einen Moment später streifte ihn ein eisiger Lufthauch.
Das Zeug war noch immer in seinen Lungen, seinem Hals, seinem Mund, seiner Nase. Hustend würgte er den schwarzen Schleim aus, der sich geschmacklos in seinem Mund sammelte und über seine Lippen auf den Boden troff. Qualvoll drängte er alles heraus. Es rann ihm sogar aus den Ohren.
Langsam nahm er wieder Luft in seine Lungen auf. Sie schmeckte nach Alter und Moder. Der schwache Hauch von Brennöl drang zu ihm. Nasser Steinboden, Mörtelreste und uralte Ziegel? Wo war er? In einem Keller? Er fuhr zusammen. Das konnte nicht sein, nicht hier. Entsetzt riss er die Augen auf. Walters Haus!
Eine Hand strich sacht über seinen Nacken.
Erschrocken fuhr er zusammen und riss die Augen auf.
Seine Beine kribbelten bis in die Zehen. Opa sprang zur Seite. Zähneklappernd drängte sie sich in die unangenehmen Polster.
Daniel schob sich neben ihn auf die Lehne des Kanapees. Er verströmte Kälte, die sich in seiner Kleidung
Weitere Kostenlose Bücher