Der Rebell - Schattengrenzen #2
schüttelte den Kopf, langsam, offenbar tat ihm mehr weh als das Veilchen. Ohne auf den Einwand einzugehen, erhob sich Oliver. Matthias krallte seine Finger in den Saum des Pullis. »Bleib hier.«
»Warum?«
»Weil ich reden will, du Trottel.«
Oliver ließ sich wieder in die Polster fallen. Die alten Federn ächzten unter ihm. Es fühlte sich nicht angenehm an. »Rechne besser mit der nächsten Ohrfeige.«
Matthias ignorierte die Worte. »Ich bin bereits im Herbst letzten Jahres in Berlin aufgeflogen, schon kurz, nachdem ich die Verbindung zu Silke hergestellt hatte.«
Nun wurde es interessant. Oliver straffte sich.
Matthias drückte seinen Handrücken gegen die Schwellung. Er wirkte verärgert.
»Damals begegnete Silke mir zusammen mit Aboutreika . Sie stellte uns einander vor.«
»Du bist so offen vorgegangen?« Verständnislos schüttelte Oliver den Kopf. »Verdeckte Ermittlungen, wie?«
»Ach, halt die Klappe.« Matthias verzog die Lippen. »Deinen idiotischen Kleinkinderspott muss ich mir nicht geben.«
Oliver atmete tief durch. Klar, es war kindisch, aber im Moment zitterte alles in ihm. Sein gesamtes Leben wirbelte durcheinander. »Bitte fass dich kurz. Im Moment ist meine Geduldsgrenze niedrig. Ich kann auch nicht mehr fassen als du, Matthias.«
In den Augen seines Cousins flackerte es. Er nickte.
Trotzdem brauchte er offenbar ein paar Sekunden, um sich wieder in den Griff zu bekommen. » Aboutreika schien mich nicht zu kennen. Am Anfang dachte ich, dass es kaum besser werden könnte. So bekam ich Kontakt zu ihm, wenn auch in erster Linie über Silke.«
Das Argument lag auf der Hand. Verständnisvoll nickte Oliver.
»Wir trafen uns öfter gemeinsam. Natalie war mehrfach dabei …«
»Als was habt ihr euch denn vorgestellt?«
Matthias lächelte matt. »Als ein befreundetes Paar, nichts Besonderes.« Er zuckte mit den Schultern. »Uns kam zugute, dass wir beide uns im Lauf der Ermittlungen stark in die Antikkunst eingelesen und mehrfach die Museen in Berlin besucht hatten, also fit in dem Thema waren. Damit hatten wir ständigen Gesprächsstoff und eigentlich auch sehr schöne Tage und Abende mit Aboutreika und Silke.«
Das klang alles so harmlos, wie bei zwei befreundeten Paaren. Aber es ging hier um Silke, seine Mutter und Amman Aboutreika , ihren Liebhaber, den Mann, der den Keil in die Familie getrieben hatte. In Olivers Hals brannte Säure, zugleich schnürte sich sein Herz zusammen. Wut, Eifersucht, was auch immer. Letztlich hätte es sein Vater sein sollen, der mit Silke in Berlin war, nicht Amman, nicht dieser elende … Er ballte die Fäuste.
Amman – wie gern würde ich dir dein skrupelloses, überhebliches Verhalten aus den Knochen spülen …
Matthias drückte seine Schulter. »Ich kann mir vorstellen, was in dir vor sich geht.«
»Warum hat sie meinen Vater betrogen? Die beiden haben sich so abgöttisch geliebt …«
»Oliver, du weißt selbst, dass Liebe verfliegen kann und zurück bleibt nur Abscheu.«
»Warum haben sie sich nicht getrennt? Für meine Geschwister war immer nur ich da. Meine Mutter kam und ging wie eine Besucherin. Sie brachte uns kurzzeitig Freude und anschließend Leid. Dass sich meine Eltern ständig in den Haaren hatten, weiß ich. Aber weshalb haben sie es so weit kommen lassen, dass ein Amman Aboutreika sie wie Marionetten nutzen konnte?«
Matthias legte ihm die Hand in den Nacken. »Olli, das kann dir sicher nur dein Vater beantworten.«
»Ich glaube, er hat sie geliebt, immer, bis zum Ende.«
Ansonsten hätte er sich nicht so verhalten, unausgeglichen, wütend, hilflos, haltlos, zügellos. Er kämpfte bis zum Schluss, wusste aber, dass er verlieren würde.
»Er hat sie geliebt und liebt sie noch immer, Oliver. Er hat sogar den Tod deines jüngsten Bruders auf sich genommen. Und mit keinem Wort erwähnt, dass Marc schon tot war.«
Oliver nickte matt. Die Worte streiften ihn, kamen aber in Bruchstücken an. Mehr die Gefühle als der Inhalt trafen. Die Sicherheit, dass sein Vater seine Mutter mehr als alles auf der Welt geliebt hat.
Olivers Augen brannten. Mit beiden Händen strich er sich über die Lider. Mühsam straffte er sich.
Nicht weiter daran denken. Opa schabte mit ihren Pfoten am Kanapee. Oliver hob sie hoch und umschlang sie.
Der weiche Tierkörper wölbte sich, bis sie sich ausgerichtet hatte. Schwer lag sie auf seinem Schoß, presste sich eng an ihn. Die Wärme der Häsin half etwas, auch wenn er die Grenze schon längst
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