Der Rebell - Schattengrenzen #2
überschritten hatte, um noch vollständige Beherrschung über sich zu haben.
»Wie hat dich Amman in die Sachen hineingezogen?«
Matthias strich über Opas Rücken. »Er schickte mir eine Einladung zu einem gemeinsamen Essen. Natalie und Silke waren beide dabei. Als wir kurzzeitig allein waren, nutzte er seine Chance und sagte mir auf den Kopf zu, dass ich ein Polizist sei. Er hatte sich genauso gut auf mich vorbereitet, wie ich mich auf ihn.«
»Aber wie kam es dazu?«
Matthias stieß die Luft durch die Nase aus. »Ganz einfach. Durch Silke erfuhr er den Zusammenhang zwischen ihrer und meiner Familie.«
»Hä?« Zugegeben, das war der unintelligenteste Ausdruck der Verwunderung, den es gab, aber ihm fiel nichts Besseres ein.
»Silke schien bestens über die familiären Interna Bescheid gewusst zu haben. Sicher nicht von unserem Großvater, aber offensichtlich von ihrer Urgroßmutter. Sie wusste genau, wer meine Großmutter war. Offenbar war sie sogar so weit gegangen, um Kontakt zu ihr aufzunehmen. So hat es mir meine Oma erzählt. Sie war ganz begeistert von Silke und ihrem charmanten Mann.« Die letzten zwei Worte troffen vor Sarkasmus.
Nebulöse Mattigkeit drückte auf Oliver nieder. »Sie wusste alles?«
Matthias nickte nach einigen Augenblicken schwach. »Sie schien wirklich all das gewusst zu haben, was wir anhand von Vermutungen, Alben und Bücher wälzen herausgefunden haben. Silke hatte eine besondere Verbindung zu ihrer Großmutter.«
Der Schleier zeriss .
»Kannst du mir das näher erklären?«, wollte Oliver wissen.
»Nach dem besagten Abendessen mit Aboutreika , an dem die Bombe platzte, erzählte sie – scheinbar unwissend – dass ihr Vater ja sehr oft verwitwet war und sie ihre Mutter bereits als kleines Mädchen verlor, aber von ihrer Großmutter aufgezogen wurde, bis diese 1976 starb. Sie sprach mit unglaublich viel Verehrung von dieser alten Frau. Damals war es nur ein Gefühl. Aber als wir diese ganzen Sachen hier durchgingen«, er machte eine ausholende Bewegung über das Chaos, »wurde mir klar, dass Erna Markgraf ihre Urenkelin fest in der Hand hatte und genauso manipulierte wie jeden anderen Mensch. Sie war das willige Schoßhündchen einer wahnsinnigen alten Frau …«
»Wie Walter, Helene und Rudolph.«
Matthias nickte. »Einerseits bin ich froh, dass meine Oma dem Irrsinn entkam, aber dass sie zum Druckmittel und Spielball Amman Aboutreikas wurde …«
»Er benutzt deine Großmutter als Druckmittel?« Fassungslos schüttelte Oliver den Kopf. »Aber sie ist doch eine alte Frau.«
»Und Christian und Michael sind Kinder. Die sind doch auch sein Druckmittel gegen dich«, entgegnete Matthias tonlos.
Die Worte trafen den Kern. Es stimmte. Mit den Zwillingen hatte Aboutreika ihn an der Angel. Zugleich hing er in Walters, vielleicht auch in Ernas Netz, indem er die Verantwortung über diese verfluchten Bücher und das Haus übernahm.
Haus und Bücher, wenn Camilla recht hatte, entsprach das Geschöpf, das noch immer in den Mauern hing und dämonische Geißel von Mensch, Geist und Wächter war, der Empuse aus der Geschichte. Hass, Gestalt gewordener Hass, nichts sonst. Der Nachhall eines zerstörerischen Geschöpfes, Erna. Was würde wohl aus Amman werden, wenn er starb? Seine menschenverachtende Art war der ihren adäquat. Um dagegen vorgehen zu können, blieb nichts weiter, als sich tiefer ziehen und eine Weile treiben zu lassen. Er musste mitspielen, wenn er etwas erreichen wollte. Schließlich konnte er nichts weiter tun, als so lang in den Strom eintauchen, bis er in dem Zahnwerk der beiden treibenden Kräfte eine Möglichkeit fand, etwas zu zerstören, damit endlich dieser Irrsinn ein Ende fand.
Aber wie war der Spruch aus den glorreichen Sieben? Auch eine Weide biegt sich nur so lang, bis sie bricht.
Brechen? Nein, niemals. Mit dem Strom schwimmen, bis zu dem labilsten Glied in der Kette und dort ansetzen.
Er fixierte Matthias’ Blick. »Ich werde mich nicht vollständig manipulieren lassen, Matthias. Amman wird schon sehen, dass ich nur bis zu einem gewissen Grad dem entspreche, was er sich vorstellt.«
» Aboutreika ist ein Teufel. Er wird dich benutzen und zerstören, wie deine Eltern und deinen Großvater.«
»Soll er, aber er wird auf Widerstand treffen.«
Matthias lächelte erschöpft. »Hoffen wir es.«
Oliver saß neben Camilla und Christoph im Salon. Die beiden schliefen, eng aneinander geschmiegt. Der Anblick wirkte so angenehm beruhigend und
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