Der Rebell - Schattengrenzen #2
Gefährt, dessen Unterlack matt gelb schimmerte. Das passte irgendwie zu Daniel, ein Wagen, der in etwa so alt war wie er, vollkommen fertig und vollkommen anders.
Der Fahrer setzte ein Stück zurück.
Oliver erkannte die Silhouette Daniels, der hektisch winkte. Mehr Aufforderung brauchte er nicht mehr.
»Danke dir, du bist meine Rettung.«
Daniel lächelte. »Rechnung folgt.«
Oliver nickte ernst. »Ist okay.«
Er warf die Autotür hinter sich zu und streifte die nasse Jacke ab. Trotzdem klebten seine Kleider an der Haut. Dünne Rinnsale flossen ihm aus seinem Zopf in den Nacken und den Rücken hinab. Er fröstelte.
Mit beiden Händen wischte er sich die Nässe aus den Augen.
Die Scheiben beschlugen.
Daniel drehte die Heizung hoch. Etwas raschelte, als habe sich altes Laub in der Lüftung verfangen.
Ein Rascheln, ähnlich wie damals, hinter den Spiegeln, als er zurückgeholt wurde … Er zuckte zusammen. Nicht auch Chris und Micha. Bitte nicht! Erneut überfiel ihn Panik. Kamen sie noch rechtzeitig?
Der Blick, den Daniel ihm zuwarf, konnte er nicht deuten. Er lächelte zwar, aber darunter verbarg sich etwas Vertrautes und doch Fremdes.
Er setzte den Blinker, wartete aber einen vorbeifahrenden Transporter ab, bevor er wieder auf die Bundesstraße zog.
Das sonore Brummen des Motors besaß etwas Beruhigendes. Sie waren unterwegs. Oliver schloss die Augen und ließ sich in den weichen Fellbezug sinken. Einen Moment Ruhe. Er musste seine Gedanken ordnen. In Daniels Nähe ging das einfach. Er verströmte so etwas … Der Geruch nach kaltem Rauch und abgestandenem Kaffee drang in seine Nase. Er blinzelte. Sein Hals fühlte sich trocken an. Kaffee wäre gut, doch daran wollte er jetzt nicht denken. Zuerst musste er wissen, was mit Chris und Micha war. Etwas wehte durch das Gebläse zu ihm. Plötzlich stank es nach alten Socken. Irritiert sah er sich um. Vor seinen Füßen lagen bunte Springerstiefel, vermutlich mit Acrylfarben angemalt. Sie dünsteten unangenehm aus. Er versuchte, flacher zu atmen.
»Schmeiß sie nach hinten.«
Oliver nickte knapp und folgte der Aufforderung. Der Passat wirkte innen nicht annährend so heruntergekommen wie außen. Kein Müll, keine leeren Dosen, keine Kondome oder Kippenstummel .
Von hinten drang der Geruch nach feuchtem Leder in seine Nase. Daniel trug ausnahmsweise keine Jacke. Seine sonnenverbrannten Arme waren vollständig tätowiert. In erster Linie handelte es sich um Bilder aus Comicstrips, Supergoof und Phantomias , aber auch Sprüche, Anti-Nazi-Symbole und die Abkürzung A.C.A.B – All Cops are Bastards. Dasselbe stand auf der Rückseite seiner Lederjacke. Wie konnte er das nur in seinem Job vertreten? Er war doch Kriminalbeamter, wenn auch noch nicht im gleichen Dienstrang wie seine Kollegen, aber in jedem Fall ein Beamter.
Daniel lächelte beiläufig.
Hatte er seinen Blick bemerkt? Wahrscheinlich.
Er drehte die Heizung und das Gebläse höher, wischte aber mit einem Schwamm immer wieder über das Glas. »Du sorgst für reichlich beschlagene Scheiben.« Er grinste. »Heißer Junge, wie?«
Der Wagen verlor für einen Moment die Spur. Weil sie gerade durch einen Wald fuhren, war das nicht ungefährlich.
»Soll ich nicht lieber wischen und du konzentrierst dich aufs Fahren?«, schlug Oliver vor. Vielleicht konnte er sich auf diese Weise ablenken.
Daniel grinste noch breiter. In seinen Augen glomm Spott. »Klar, Olli, ich lasse dich unangeschnallt wischen, während wir hier die Serpentine runterbrettern.«
»Wäre auch nicht schlimmer, als in einen Überlandbus zu knallen.«
»Hey, ich bin ein guter Fahrer.«
Trotz allem wies er auf die Beifahrertür. »Da ist ein Lederlappen drin.«
»Interessiert dich nicht, warum ich dich Freitagfrüh hierher jage?«
»Micha hat mich angerufen und meinte, dass etwas mit Chris sei. Ich habe Matthias gebeten, hinzufahren, während ich dich einsammele.«
Die Wärme verstärkte sich. Es war nicht die Heizung. »Danke.«
»Klar, mach dir mal keine Gedanken, okay?«
Olivers Nervosität nahm zu, als sie die Stadtgrenze Wiesbaden passierten und die bewaldeten Taunushügel hinter sich ließen. Es beruhige ihn kaum, dass Matthias bei Chris und Micha war und es konnte ihm nicht schnell genug gehen. Die karge Klarenthaler Straße zog sich unendlich. Dank des bleichen Himmels und des Dauerregens wirkte sie noch trister. Ein Relikt vergangener Zeiten. Wahrscheinlich hatte es hier in den 50ern nicht anders ausgesehen –
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