Der Rebell - Schattengrenzen #2
sich einmal im Kreis. »Das ist ein Museum, aber nichts um darin zu leben.«
»Du warst noch nie hier?«
Er schüttelte den Kopf. »Ist nicht ganz die Art Unterkunft für meine Spezialfälle, mit denen ich im Normalfall arbeite.«
»Dann sollte ich es als Ehre ansehen, hier unterzukommen?«
»Solltest du. Irene Meinhard gibt nicht jedem die Möglichkeit.«
Oliver lächelte.
Unter der Treppe, die sich von dem Zwischenpodest aus nach rechts und links gabelte, entdeckte er einen Flur, dessen Rückwand vollständig verspiegelt war.
Er stöhnte leise über die breitflächige Einladung für die Geisterwelt.
Oliver gab Daniel einen kurzen Wink zu dem Flur. »Das würde ich am liebsten alles abhängen.«
Zischend entwich die Luft zwischen Daniels Zähnen. »Das ist wie eine Leuchtreklame. Mal sehen, ob wir hier auch nur andeutungsweise unsere Ruhe haben.«
Oliver verzog die Lippen. »Bei unserem Glück? Vergiss es.«
Daniel wies nach oben. »Halten wir uns nach Möglichkeit in einem ungefährlicheren Bereich auf.«
Über den Stufen wölbte sich das Fragment einer farbigen Glaskuppel, die hinterstrahlt wurde. Zumindest gab es hier keine Reflexionen.
Er spürte, wie ihn der prunkvolle Zauber wieder in seinen Bann zog. Etwas vom Job seines Vaters musste ja seine Spuren hinterlassen haben, beispielsweise die Faszination für alte Gebäude.
Zwei Etagen über ihnen umspannte eine Galerie die Halle. Von dort zweigten hell gestrichene Türen mit glänzenden Messingknäufen in die Zimmer des Dachgeschosses.
Trotz der Pracht fühlte sich Oliver unwohl, ähnlich wie es offensichtlich Daniel erging. Es lag nicht nur an der Spiegelwand, sie passten nicht hierher. Er sah sich nach Christian und Michael um. Ihnen schien der Zauber des Hauses ebenfalls unter die Haut zu gehen. Staunend drehte sich Michael im Kreis. Er schien jedes Detail in sich aufzunehmen. Plötzlich eilte Chris die ersten Stufen nach oben und blieb vor einem Marmorbecken mit einem Brunnenspeier stehen. Er sprühte vor Energie. Woher nahm er sie bloß? Vor ein paar Stunden hatte es ausgesehen, als müsse er die folgende Woche im Krankenhaus bleiben.
Von den Erlebnissen des Morgens war nichts mehr zu spüren, als ob er besessen wäre …
»Kommt da auch Wasser raus?«
George zuckte mit den Schultern. »Wenn die Leitungen nicht vollkommen verkalkt sind, schon. Wir haben das Haus übrigens vorläufig zur Verfügung gestellt bekommen.«
Chris strahlte. »Können wir uns umsehen?«
»Wenn ihr ausgepackt habt, können wir ja gemeinsam auf Erkundungstour gehen.«
Die oberen Räume waren weit weniger repräsentativ. Dennoch übertrafen sie Olivers Ansprüche. Sein Zimmer war nicht sonderlich groß, aber verschwenderisch mit prächtigen Antikmöbeln ausgestattet. Das ausladende Bett bot Platz für ihn und seine Brüder, obwohl er den Raum allein bewohnte.
Museum – Daniel hatte nicht unrecht. Der Eindruck verstärkte sich durch einen wuchtigen Club-Sessel und einen zierlichen Sekretär.
Der Blick nach draußen verriet, dass sein Zimmer Richtung Garten und Kureck lag. Die Lichter der Innenstadt und die Reflexionen der Scheinwerfer auf der regennassen Straße verliehen der stillen Gegend Leben.
»Olli?«
Er sah kurz über die Schulter.
Daniel schloss die Tür hinter sich.
Wortlos wandte sich Oliver wieder dem Fenster zu. Wind und Regen bewegten die Äste der Parkbäume. Sie schienen zu winken. Daniels Wärme drang durch sein Shirt. Er stand dicht hinter ihm.
Seine Haut elektrisierte. In seinem Nacken richteten sich die Härchen auf. Hitze sammelte sich und strahlte von seinem Magen in alle Richtungen. Das Kribbeln in seinem Rücken breitete sich aus. Sein Hals fühlte sich belegt an. Eine einzige Berührung Daniels würde verheerende Folgen haben.
»Was für ein schönes Haus.« Das war nicht ganz, was ihm durch den Kopf ging, aber es zählte zu den unverfänglicheren Dingen.
»Schon richtig. Aber es ist nur eine zeitweilige Lösung.«
Die Worte klangen ernüchternd.
Er versuchte, die aufkeimende Sehnsucht zurückzudrängen. Mühsam sammelte er sich und nickte. »Ist mir schon klar.«
Er wandte sich Daniel zu. »Bleibst du eigentlich hier?«
Nun war die Frage raus. Nervös betrachtete er seinen Freund.
»Du kannst wohl gar nicht mehr ohne mich, wie?«
Daniel grinste. Es drang nicht bis zu seinen Augen vor. Ein stiller, schmerzvoller Ausdruck lag in seiner Mimik.
Was bedrückte ihn so sehr? Seit er das Haus betreten hatte, wankten seine
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