Der Rebell - Schattengrenzen #2
Freund.
Im Badezimmerspiegel kräuselte sich die Glasfläche. Ein Wächter zog sich langsam zurück. Schwarzes, rauchiges Blut troff von seinen Kiefern. Hinter ihm stand ein weiteres Wesen. Beinahe freundschaftlich neigte es sich zu seinem Partner und stieß ihn mit seinem augenlosen Schädel an. Der Geist war fort.
Sie hatten ihn zerrissen. Warum fühlte er Erleichterung?
Das Gefühl war falsch. Der alte Mann war nicht hier. Wenn er nicht auftauchte, hatte er etwas Schlechtes in Gang gesetzt … oder?
Frustriert seufzte er.
Daniel unterbrach seine Sicht auf den Spiegel. Er lehnte seine Stirn gegen Olivers. Noch immer atmete er schwer. Seine Haut fühlte sich erhitzt und feucht an. Sein ganzer Körper bebte vor Anstrengung. Daniel … Er kannte die Wahrheit. Er wusste über die Wächter Bescheid. Er teilte ein unausgesprochenes Geheimnis mit ihm.
»Du bist stärker, als ich dachte.« Daniels Stimme glich einem Windhauch.
»Haben wir diese Erscheinung besiegt?«
Er nickte.
Wächter – was waren sie? Woher kamen sie? Er wusste es nicht. Eins stand außer Frage. Gleichgültig wie monströs und fremd sie aussahen oder sich anfühlten, sie waren mit Daniel und ihm verbunden.
Oliver hob beide Arme und umklammerte ihn. Er wusste nicht warum, aber schließlich tat Daniels Gegenwart immer gut. Das Band stärkte sich, während er eben ein Stück weit von allen anderen Abstand genommen hatte. Vielleicht war der Weg, den er beschritt, doch nicht so falsch.
Zwischen ihnen entstand etwas Neues, Vertrauenvolles . Nähe – gleich welcher Art – gehörte dazu.
Aber was war es?
Die Lösung lag nah, vielleicht direkt hinter den Spiegeln. Aber sein Verstand war überreizt. Träge gähnte er. Warme, weiche Nebel griffen nach ihm. Der Geruch nach Daniels Haut mischte sich unter das Blutaroma. Er schmeckte salzigen Schweiß und feste Lippen. Hitze umhüllte ihn und verbrannte ihn von innen. Passierte es wirklich? Einen klaren Gedanken zu fassen, war viel zu schwer … Erschöpft schloss er die Augen.
Das Bild splitterte.
Mit rasendem Herz fuhr er zusammen. Licht drang durch seine geschlossenen Lider. Das gleichmäßige Klappern setzte aus. Kein Herzschlag? Nein, dazu hörte es sich zu sehr nach Plastik an.
Dummerweise klang es, als würde Fred Astaire in seinem Kopf steppen, auf Kunststoffabsätzen wohlgemerkt. Das Pochen und Hämmern ließ nicht nach. Es raubte alle Kraft. Beinahe war es, als habe jemand einen Stöpsel gezogen und alle Energie verschwand durch einen Gully.
Konnte man sich so fühlen?
Der Geschmack in seinem Mund ließ darauf schließen, dass etwas auf seiner Zunge gestorben war. So etwas passierte eher nach einer langen Schlafphase.
Zusätzlich schien seine Nase massiv angeschwollen zu sein. Was war da doch gleich? Ach ja, der Schlag.
Super, wahrscheinlich sah er nun wirklich aus wie Quasimodo.
Er blinzelte. Licht explodierte in seinem Kopf.
Verdammt, in die Birne geschaut … wie konnte er nur so dämlich sein?
Im gleichen Moment drehte jemand die Lampe weg.
Er musste nicht fragen, wer. In der Luft hing das Aroma von Leder, Zigaretten und getrocknetem Schweiß. Wie zur Bestätigung erhob sich Daniel und trat zu ihm. Seine nackten Füße gaben leise Geräusche von sich.
Er setzte sich auf die Bettkante. Das geschnitzte Gestell protestierte leise. Da er noch immer das gleiche T-Shirt trug, konnte nicht viel Zeit vergangen sein. Blutspritzer waren darauf getrocknet. Instinktiv tastete Oliver nach seiner Nase. Zugegeben, Daniel hatte einen guten Schlag am Leib.
»Wie lang war ich weg?«
Daniel strich ihm zärtlich durchs Haar.
Nähe – jede nur mögliche Art …
»Ein paar Stunden.«
Matt nickte Oliver. Eine ungenaue Angabe. Egal, wichtiger war, was hatte er geträumt, was war Realität? Die Szene im Bad konnte einfach nicht passiert sein.
»Wie fühlst du dich?«
»Gerädert.«
Die Aussage traf ziemlich genau zu. Trotzdem rollte er sich herum und stemmte sich hoch. Das Bettgestell knarrte laut. Sein Haar fiel ihm über das Gesicht. Daniel stützte ihn leicht.
»Du siehst übel aus.«
»Wenn ich mich recht entsinne, warst du nicht ganz unschuldig daran.«
Oliver ließ sich gegen die Rückwand des Bettes sinken und strich die Haare zurück. Durch die Nase atmen ging nicht mehr. Er schnappte mit offenem Mund nach Luft.
»Was ist eigentlich passiert?«
Daniel zuckte mit den Schultern, bevor er sich neben Oliver auf das Bett legte und sich anlehnte.
»Du hast gefunden,
Weitere Kostenlose Bücher