Der Rebell - Schattengrenzen #2
wonach ich gesucht habe.«
»Den Geist?« Oha, klang das nasal.
Um Daniels Mundwinkel zuckte es. Gleichgültig, wie ernst ein Thema war, er fand immer noch etwas Lustiges darin.
»Wehe, du lachst mich aus …«
Er hob rasch die Arme und blinzelte. »Würde mir nie in den Sinn kommen.«
Schnell, wie der Anflug seiner Albernheit gekommen war, verging er wieder. Daniel fuhr sich ernst mit beiden Händen über das Gesicht.
»Besteht noch Gefahr für Micha und Chris?«
»Nein, hier nicht, zumindest im Moment. Aber wir müssen eine Lösung finden. Du und ich, wir sind nicht permanent um die beiden Jungs.«
»Warte mal … du und ich? Was bedeutet das?« Oliver musterte ihn.
Daniel sah über seine Fingerspitzen hinweg. Schließlich ließ er beide Hände in den Schoß fallen. »Ein Teil von dir muss in der Zwischenwelt zurückgeblieben sein, als du wiederbelebt wurdest. Dieses Fragment ist zu dem Wächter geworden, der dir begegnet ist.«
Walters Haus
» D u willst mir sagen, dass ich einer dieser grauen Dinosaurier bin?« Das Schweigen und der tiefe Ernst in Daniels Mimik erschreckten ihn beinahe mehr als eine ausgesprochene Zustimmung. Ungläubig schüttelte er den Kopf. »Das meinst du nicht ernst.«
Noch immer schwieg Daniel. Seine Hände ruhten reglos in seinem Schoß. Was ging in ihm vor? Dachte er nach, wie er sich ausdrücken sollte, oder verarschte er ihn einfach nur? In seinen Augen glomm kein Spott. Daniel meinte es ernst. Oliver stöhnte leise. Der Druck in seinem Gesicht nahm wieder zu. Zugleich rauschte das Blut in seinen Ohren. Etwas staute sich. Wahrscheinlich war es nur Einbildung. Das Reißen, das er gespürt hatte, als er reanimiert wurde, deckte sich mit der Theorie. Etwas war unter den an die Welt gebundenen Seelen zurückgeblieben. In all der Zeit hatte er so stark verneint, dass es etwas Übersinnliches gab, dass der Gedanke im Verborgenen geblieben war. Aber es stimmte durchaus. Die Frage war, was passierte mit diesem Quäntchen Seele, wenn es in einer Ebene zwischen Leben und Tod zurückblieb? Starb es ab? Bekam es eine Art eigene Identität? Wenn es nicht so bizarr gewesen wäre, hätte der Gedanke beinahe etwas Lustiges an sich. Vielleicht spazierte dort, in dieser schäbigen Zwischenebene, ein zweiter Oliver herum, der sich seiner Umgebung anpasste, ein total heruntergekommener Punk oder etwas Vergleichbares.
Darüber zu lachen, fiel ihm schwer. Es klang durchgeknallt und vollkommen unlogisch. Er musterte seinen Freund. Wo blieb die übliche Daniel-Erklärung?
Die Stille zwischen ihnen nahm unangenehme Züge an. Daniels Worte hatten etwas eigenartig Schales hinterlassen, eine Leere, die sich nur langsam durch dumpfe Empfindungen füllte. Ferne Gewissheit, stechende Unsicherheit, mehr konnte er nicht ausmachen. Der Rest wirbelte zu sehr durcheinander.
Langsam schüttelte Daniel den Kopf. Er wirkte abwesend. Schließlich schloss er die Augen und ließ den Kopf gegen die Rückwand des Bettes schlagen. »Das ist nicht einfach zu erklären, Olli, weil ich mir selbst in all den Jahren die Informationen zusammensuchen und herleiten musste.«
Oliver hob die Hände. »Du hast mich abgehängt.«
Träge blinzelte Daniel und richtete sich auf. Über seine Lippen huschte ein Lächeln. »Okay, dann einen Grundkurs im Fach Leben nach dem Tod, aus dem nicht fundierten Wissensschatz des Daniel Kuhn.«
Oliver rollte sich auf die Seite, um Daniel besser beobachten zu können. Er ging nicht auf die alberne Einleitung ein. »Will ich’s hören?«
»Keine Ahnung, aber du solltest.« Er klang wieder vollkommen gefasst. Sanft strich Daniel ihm über die Wange. Automatisch schmiegte Oliver sein Gesicht in die warme Handfläche.
»Erzähl.«
Wie selbstverständlich schlang Daniel einen Arm um seine Schultern und zog ihn an seine Brust.
Der ruhige, gleichmäßige Herzschlag beruhigte ihn. Vertraut schmiegte er sich an Daniel.
»Erinnerst du dich an den Moment, als du tot warst?«
Diese Frage jagte einen Schauder über seinen Rücken, aber er nickte.
»Der Ort war ein heruntergekommenes Spiegelbild der Wirklichkeit. Diese absolute Schattenlosigkeit hat mich ziemlich fertig gemacht.«
»Grellweißes Licht, nicht wahr?«
»Ja.« Er fror.
Daniel spürte es offenbar. Er zog eine Decke heran und legte sie zurecht. »Hast du dort andere gesehen?«
»Menschen meinst du?«
Daniel nickte.
»Elli, erst wie sie vor ihrem Tod aussah, dann wie sie danach aussah.« Er tastete über seine
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