Der Rebell
Lavinias honigsüße Stimme und zog seine errötende Frau an sich. Hoffentlich würde man das Entsetzen in ihren Augen für hingebungsvolle Liebe halten ... Ihr seidiges Haar kitzelte seine Wange und hob sich wie pures Gold vom blauen Jackett seiner Uniform ab. Ihre Nähe erinnerte ihn an den schönen Körper, den er so deutlich gesehen und angefaßt hatte. Von plötzlichem Verlangen überwältigt, holte er tief Atem, und die Lüge kam ihm leicht über die Lippen. »Wir sind schon seit einiger Zeit verheiratet. Wie ich zu meiner Schande gestehen muß, wußten meine Eltern nichts davon. Aber ich glaube, sie werden mir verzeihen. Wenn sie meine Frau näher kennengelernt haben, können sie meine Gefühle sicher verstehen.« Seine Stimme zitterte ein wenig, was man für Verlegenheit halten mochte. Doch er war kein guter Schauspieler, und seine innere Bewegung wurde von reiner Lust entfacht. Was hoffentlich niemand merkte.
Alaina rückte ein wenig von ihm ab und sah ihn prüfend an. In ihrem Hals pochte ein heftiger Puls. Ian neigte sich zu ihr. Als er sie küßte, spürte er ihren Widerstand und fragte sich erbost, ob sie Peter O'Neill tatsächlich noch liebte — und wie intim der Bastard sie berührt hatte.
Nun wurden sie von Gratulanten umringt.
»Unmöglich!« Ein Wutschrei übertönte die Glückwünsche. »Das glaube ich nicht! Eine Lüge!«
Mühsam zwang sich Ian zur Ruhe und erwiderte Peters haßerfüllten Blick. »Warum nennst du mich einen Lügner?«
»Um Himmels willen, Peter!« mahnte der erschrockene Vater des jungen Mannes.
Sein Sohn knirschte mit den Zähnen. Obwohl er ein guter Fechter war, wagte er seinen Feind nicht zum Duell zu fordern. In militärischen Kreisen wurde behauptet, Ian sei unbesiegbar. Außerdem wollte Peter seine Verlobung nicht gefährden, indem er die Ehe eines anderen Mannes anzweifelte. »Niemals würde ich dich einen Lügner nennen, Ian. Du besitzt sicher Dokumente, die deine Heirat beweisen. Verzeih mir. Ich war nur verblüfft, so wie alle Anwesenden, und um Miss McMann besorgt.«
»Besten Dank für Ihre Besorgnis, Sir!« mischte sich Teddy McMann unvermittelt ein und ging zum Podium. »Ehrlich gesagt, ich bin froh, daß ich nie mehr um meine geliebte Tochter bangen muß, nachdem ich sie nun in Ian McKenzies Obhut weiß.«
»O Papa!« flüsterte Alaina, riß sich von Ian los und stürzte sich in Teddys Arme.
»Stoßen wir an, meine Freunde!« rief Julian. »Champagner! Auf meinen Bruder und die zauberhafte Alaina!«
Bald verlor Ian seine Frau aus den Augen. Ein Champagnerkelch wurde in seine Hand gedrückt, zahlreiche Leute drängten sich heran und prosteten ihm erfreut zu. Plötzlich fiel ihm eine schöne, dunkelhaarige junge Frau um den Hals.
»Ian, du Schuft!« schimpfte seine Schwester Tia. »Kein Sterbenswörtchen hast du uns verraten. Ich wußte gar nicht, daß du Alaina McMann seit ihrer Kindheit wiedergesehen hattest. Natürlich, während der letzten Zeit warst du oft im Süden. Erzähl doch! Ist diese skandalöse Episode im Teich tatsächlich passiert?«
»Benimm dich, Tia!« stöhnte er.
»Sag mir wenigstens, ob du wirklich verheiratet bist.«
»Allerdings! Und nun spiel bitte die charmante Tochter des Hauses, damit mich die Leute nicht schon wieder anstarren und mich sonstwas bezichtigen.«
Sie küßte seine Wange. »Hat's Sydney gewußt?«
»Nein, niemand hat's gewußt. Zweifellos wirst du mir die ganze Geschichte bald entlocken. Aber im Augenblick ...«
»Schon gut. Ich liebe dich, großer Bruder.«
Lächelnd nahm er sie in die Arme. Als er sie losließ, wurde er von Sydney, seinem Onkel und seiner Tante, seiner Kusine Jennifer und ihrem Mann Lawrence Malloy, seinen Vettern Jerome und Brent und seinen besten Freunden aus der Kinderzeit umzingelt. Alle waren sichtlich erstaunt, aber diskret und zurückhaltend in ihrer Neugier.
Etwas später sah er Alaina zwischen ihrem Vater und Sydney stehen, ebenfalls von Gratulanten bestürmt — vermutlich von denselben Leuten, die sie kurz zuvor verdammt hatten. Aber jetzt gehörte sie dem McKenzie-Clan an. Da konnte man einen kleinen Skandal schon mal übersehen.
Unbehaglich beobachtete Ian, wie Peter O'Neill sich ein neues Opfer ausgesucht hatte, nämlich immer wieder zu Sydney hinüberstarrte. Sie hatte die smaragdgrünen Augen ihrer Mutter und das rabenschwarze Haar ihres Vaters geerbt. Auch das Seminolenblut, das in James McKenzies Adern floß, sah man ihr an, was ihre exotische Schönheit noch betonte.
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