Der Rebell
sitzen blieb. Offenbar glaubte sie, er würde schlafen, denn sie bückte sich, griff nach der Whiskeyflasche und stellte sie auf den Schreibtisch. Dann betrat sie den Balkon.
Ian wartete ein paar Minuten. Bevor er ihr lautlos folgte, legte er seinen Waffengurt wieder an, instinktiv und gewohnheitsmäßig.
Aber sie stand nicht auf dem Balkon. Statt dessen entdeckte er sie auf dem Rasen. Sie mußte am Rosenspalier hinabgeklettert sein. Jetzt lief sie zum Wald.
»Zum Teufel, was hat sie vor?« flüsterte er, schwang sich über das Balkongeländer und stieg ebenfalls am Spalier hinab. Sie schlug die Richtung zum Teich ein, und Ian folgte ihr in einigem Abstand.
Am Rand der Lichtung blieb sie stehen und starrte zum Teich hinüber. Plötzlich tauchte ein Mann aus den nächtlichen Schatten auf. Peter O'Neill.
»Alaina!« rief er leise, und sie fuhr herum. In der sanften Brise wehte ihr langes Haar wie gesponnenes Gold.
Hatte sie sich tatsächlich mit ihrem Liebhaber verabredet?
Mitten in der Nacht?
6
»Oh, ich wußte es — du würdest kommen, Alaina!« Mit ausgestreckten Armen eilte Peter ihr entgegen.
»O'Neill!« Plötzlich zerriß eine durchdringende Stimme die Stille der Nacht.
Wie festgewurzelt blieb Peter stehen.
Auch Alaina erstarrte. Nur ein einziger Gedanke hatte sie hierhergetrieben — aus Ians Schlafzimmer zu fliehen. Vorhin hatte sie ihn mit Julian und seinen Vettern Whiskey trinken sehen und dann geglaubt, er wäre im Ledersessel eingeschlafen, vom Alkohol benebelt. Mit keinem Gedanken hatte sie erwartet, Peter am Ufer des Teichs anzutreffen. Doch nun entstand der Eindruck, sie hätten ein heimliches Rendezvous vereinbart.
Angstvoll beobachtete sie, wie die beiden Männer einander musterten. Peter trug ein Schwert, das er nun aus der Scheide zog, und Alainas Atem stockte. Aber er warf die Waffe ins Gras. »Wir sollten kein Blut vergießen, McKenzie.«
»Dieser Meinung bin ich auch ...« Abrupt verstummte Ian, als Zweige hinter ihm knackten und Schritte erklangen. Sein Bruder und Jerome und Brent stürmten auf die Lichtung.
»Großer Gott, Ian!« rief Julian.
Bedrückt las Alaina die wütende Verachtung in Jeromes und Brents Augen. Die beiden waren stets ihre Freunde gewesen. Und nun lohnte sie ihnen die Zuneigung auf so schändliche Weise.
»Ah!« Die Anwesenheit der Neuankömmlinge schien Peter zu ermutigen. »Sieh mal einer an! Die grandiosen, mächtigen McKenzies, die weißen Jungs und die Halbindianer. Und alle wissen gleich gut mit Pistolen, Klingen und Fäusten umzugehen. Wenn ihr glaubt, ihr könnt mich hier im Wald ermorden und ungestraft davonkommen, nur weil ihr McKenzie heißt, solltet ihr euch eines Besseren besinnen. Mein Onkel ist Senator. Und ihr würdet zweifellos hängen.«
»Niemand wird dich ermorden, O'Neill«, erwiderte Ian in ruhigem Ton. »Noch nicht. Aber wenn ich dich jemals wieder in der Nähe meiner Frau erwische, töte ich dich.«
Peter zuckte die Achseln und schlenderte zu ihm. »Vielleicht wird's dir schwerfallen, deine Frau von mir fernzuhalten.« Und dann beging er den Fehler, Ian einen herausfordernden Stoß zu versetzen.
»Bitte ...«, begann Alaina.
Zu spät. Ian schleuderte seinen Widersacher zu Boden und stürzte sich auf ihn. Als Peters Kinn von einem gezielten Fausthieb getroffen wurde, heulte er auf wie tödlich verwundet.
»Hört auf!« flehte Alaina, rannte zu den beiden Männern und überlegte, ob sie einen Mord verhindern konnte, wenn sie sich dazwischen warf.
Aber Brent hielt ihren Arm fest. »Misch dich da nicht ein, Alaina, die kommen schon allein zurecht.«
Ian hob seine Faust, um erneut zuzuschlagen. Doch da wurde er von Julian und Jerome an den Schultern gepackt und zurückgezerrt.
»Das ist er nicht wert, Ian!« knurrte sein Vetter.
Nur mühsam konnten sie Ian von seinem Feind trennen. Julian kniete neben Peter nieder.
»Offenbar ist er nur bewußtlos. Ein Glück, daß du seinen Kiefer nicht gebrochen hast, Ian.«
Brent ließ Alaina los und trat ebenfalls zu O'Neill.
»Tragen wir ihn nach Cimarron«, seufzte Julian. Mit Brents Hilfe hob er die schlaffe Gestalt hoch, und sie verschwanden mit ihrer Fracht zwischen den Bäumen.
Jerome berührte den Arm seines Vetters. Mit schmalen Augen starrte er Alaina an, die am Wasserrand stand und ihr Zittern zu unterdrücken suchte. »Nun, Ian?«
»Alles in Ordnung.«
»Also, dann — gute Nacht.« Jerome wandte sich ab, um seinem Bruder und Julian folgen.
Am liebsten hätte Alaina ihm
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