Der Rebell
Frau werden. Auf einmal freute sie sich darauf, Peters Gesicht zu sehen. »Wie können Sie es wagen, so mit mir zu reden ...«
»Ich möchte Sie nur warnen«, unterbrach er sie.
Ehe ihr eine passende Antwort einfiel, kehrte Reverend Dowd zurück. »Ian, Alaina, sind Sie bereit? Zuvor müssen Sie einige Papiere ausfüllen und unterschreiben«, erklärte er und ging zu seinem Schreibtisch.
Ian folgte ihm und zog seine widerstrebende Braut hinter sich her.
Nein, sie konnte ihn nicht heiraten. Aber wenn sie es nicht tat? Was müßte ihr Vater erleiden?
Heirate ihn, sagte sie sich. Er ließ ihr ohnehin keine Wahl. Immerhin würde sie die Genugtuung genießen, Peter zu beweisen, was für ein Narr er war. Ian mußte wieder seinen Militärdienst leisten, und sie konnte so weiterleben wie bisher, abgesehen von der Tatsache, daß sie Mrs. McKenzie heißen würde. Eine respektable Ehefrau ...
Inzwischen hatte Ian die Dokumente ausgefüllt und unterzeichnet. »Alaina?« Wortlos trug sie die Namen ihrer Eltern, das Datum und den Ort ihrer Geburt ein und leistete ebenfalls ihre Unterschrift.
An Ians Seite ging sie hinter dem Reverend in den Salon. Der Geistliche zeigte ihnen, wo sie sich hinstellen sollten, und ergriff sein Gebetbuch. Neben dem Brautpaar standen Mrs. Dowd und ihr neunzigjähriger Bruder, der selig lächelnd eine Hand hinter sein Ohr hielt, um sicherzugehen, daß er auch alles richtig verstehen würde.
Alaina hatte das Gefühl zu träumen. Aber es war bittere, verworrene Wirklichkeit. Mit klarer Stimme sprach Ian sein Ehegelübde. Sie selbst brachte nur ein Flüstern zustande. Dann spürte sie, wie er einen schweren Siegelring an ihren Finger steckte, der sofort wieder herabgefallen wäre, hätte sie ihre Hand nicht geballt. Schließlich wurde der Bräutigam aufgefordert, die Braut zu küssen, und er umfaßte unsanft ihr Kinn.
Seltsam — seine Lippen schienen zu brennen ... Und der Kuß dauerte viel zu lange.
Danach wandte sich Ian an den Reverend, um einige Einzelheiten zu besprechen. Gewiß, versicherte der freundliche Pfarrer, er würde ihnen ein Pferd leihen und den Hochzeitstermin geheimhalten.
Fünf Minuten später saß Alaina vor Ian auf dem Rücken eines schönen Braunen. In flottem Trab ritten sie nach Cimarron Hall zurück. Sie spürte seine starken Arme, die Nähe seines warmen Körpers, der sie zu versengen drohte. Als sie die Sonne sinken sah, fürchtete sie das Dunkel der Nacht.
5
Ian war wütend auf sich selbst — und natürlich auf seine frisch und überraschend angetraute Frau. Während er mit ihr nach Cimarron ritt, wehte ihm der Wind ihr langes goldblondes Haar ins Gesicht.
Hätten Peter und Alaina einen anderen Ort und einen anderen Zeitpunkt für ihre albernen Spiele gewählt, hätte ich sie nicht heiraten müssen, dachte er. Und dabei bin ich mit einer anderen so gut wie verlobt ...
Trotz seines Zorns mußte er sich eingestehen, daß sie Zeit genug gefunden hätten, um ans Ufer zu schwimmen und sich anzuziehen, bevor Peter O'Neill und Lavinia aufgetaucht waren. Aber der Gedanke, eine so makellose Schönheit wie Alaina wäre die Geliebte eines elenden Wichts wie Peter, hatte ihn irritiert. Er hatte der Sache ja unbedingt mitten im See auf den Grund gehen wollen ...
Wurde ich das Opfer einer unvernünftigen Eifersucht, fragte er sich. Obwohl er sie nur wenige Sekunden lang intim berührt hatte, war die Erinnerung an ihre festen, runden Brüste, die schmale Taille und die sanft geschwungenen Hüften unauslöschlich. Wegen ihres wohlgeformten Körpers hatte er sie nicht erkannt. Bei der letzten Begegnung war sie ein dünnes Mädchen gewesen, ein kleiner Wildfang. Auch ihr Gesicht hatte sich verändert. Jetzt zeigte es gereifte, frauliche Züge.
Was nun? Er war für alle Zeiten an Peter O'Neills Geliebte gebunden. Vielleicht liebte sie den Schurken immer noch, obwohl er sie so niederträchtig behandelt hatte. Sollte er die beiden jemals in flagranti erwischen, würden sie den Betrug bitter büßen. Soviel stand fest.
»Was nun?« hörte er Alaina flüstern, als hätte sie seine Gedanken gelesen, und er merkte, daß er das Pferd am Rand des Rasens von Cimarron gezügelt hatte.
»Nun spielen wir die Farce weiter.«
Sie wandte sich zu ihm, und er sah ihre vollen Lippen zittern.
»Hast du Angst, meine Liebe?« spottete er.
»Wovor?« Ihre grünbraunen Katzenaugen verengten sich.
»Vor der Konfrontation mit all den Leuten.«
»Nein.«
»Oder vor mir?«
»Natürlich nicht«,
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