Der Rebell
wieder an seine Brust, von einem heftigen Schauer erfaßt.
»Alaina, du mußt die nassen Sachen ausziehen. Sonst wirst du dich erkälten. Denk an dein Baby. Um deiner Liebe zu Teddy willen mußt du gut für sein Enkelchen sorgen.«
Dieses Argument schien sie zu überzeugen. Widerstandslos ließ sie sich aus dem zerrissenen, schmutzigen Kleid helfen, aus den Unterröcken und Strümpfen. Sie trug kein Korsett, nur ein Hemd. Als er es über ihren Kopf streifte, wurde er von völlig neuen Gefühlen bewegt.
Auf subtile Weise hatte sich ihre Schönheit verändert. Die Brüste waren größer geworden, die Knospen dunkler. Mit ihrem leicht gewölbten Bauch erschien sie ihm verführerischer denn je. Aber er bezwang seine Begierde und wühlte in den Schubladen, bis er ein Nachthemd aus weicher Baumwolle fand, das er seiner Frau anzog. Dann schlüpfte er aus seinen feuchten Breeches, legte sich zu ihr und breitete die Decke über beide Körper. Reglos lag sie in seinen Armen, hin und wieder von einem Schluchzen geschüttelt. Es dauerte lange, bis sie das Schweigen brach. »Ian?«
»Ja?«
»Warum ist es geschehen?« fragte sie mit brüchiger Stimme.
»Das weiß ich nicht, Alaina.«
»Warum mein Vater? Wieso mußten diese elenden Männer hierherkommen? Er war so gut, so besorgt um unsere Arbeiter und Dienstboten — und stets bereit, allen Leuten zu helfen. Aus seinen Pflanzen stellte er Salben und Arzneien her, die Wunden und Krankheiten heilten. Und er hat vielen Menschen das Leben gerettet.«
»Manchmal gibt es keine Antwort auf das Warum. Schlechte Menschen leben weiter, und gute sterben.«
»Wenigstens hat er nie erfahren, daß ...«
»Was, Alaina?«
»Daß Peter O'Neill behauptet hat, kein respektabler Mann würde mich heiraten, weil ich nur die Tochter eines armen Botanikers bin.«
Ian wählte seine Worte sehr sorgfältig. »Mach dir bitte nichts draus. Peter ist ein arroganter Emporkömmling. Und Teddy hätte dieses alberne Gerede sicher ignoriert. Dein Vater war froh über diese Heirat. Bei mir wußte er dich in guten Händen. Das müßte dich doch eigentlich trösten.«
»Ja, er mochte dich sehr gern.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Immerhin wurde sein Tod gerächt. Diese schrecklichen Männer sind gestorben.«
Bedrückt überlegte er, was sie empfinden mochte, wenn sie herausfand, daß ein Unionssoldat ihren Vater erschossen hatte. Aber dies war nicht der richtige Augenblick für die bittere Wahrheit.
Neue Tränen rannen über Alainas Wangen, und Ian bemühte sich, sie zu trösten. Zärtlich streichelte er ihr Haar und versicherte, Teddy habe keine Schmerzen erlitten.
Endlich schlief sie ein. Er küßte ihre Stirn, überwältigt von dem Wunsch, sie zu beschützen und vor allem Bösen zu bewahren.
Welch ein schmerzliches Erwachen am nächsten Morgen ... Zunächst spürte Alaina nur den Sonnenschein auf ihren Lidern. Dann kehrte die Erinnerung zurück. Sie versuchte sich einzureden, es sei nur ein Alptraum gewesen, sie würde ihren Vater auf der Veranda antreffen, wo er Kaffee trank, seine Pfeife rauchte und in einem botanischen Journal blätterte.
Aber diese schöne Hoffnung schwand bald dahin. Teddy war tot. Und der unerträgliche Schmerz würde niemals verebben. Sie wollte nicht aufstehen, wollte wieder einschlafen und träumen, es wäre nicht geschehen. Dann spürte sie, wie Ian sich an ihrer Seite bewegte. Um sie nicht zu stören, stieg er ganz vorsichtig aus dem Bett. Durch gesenkte Wimpern betrachtete sie seinen wohlgeformten Körper. Seltsam — obwohl ihr Herz von tiefer Trauer erfüllt war, fragte sie sich eifersüchtig, welche Frauen in Washington seinen großen braunen Rücken gestreichelt und das Muskelspiel seiner Schenkel beobachtet hatten, wenn er in seine Breeches geschlüpft war.
Beschämt schloß sie die Augen. Am vergangenen Tag war ihr Vater gestorben. Und nun starrte sie ihren nackten Ehemann an und wünschte, sie könnte das Leid in seinen Armen vergessen.
Jetzt hatte sie keine Tränen mehr. In ihrem Inneren war eine beklemmende Leere entstanden. Als sie spürte, wie Ian sich aufs Bett setzte, hob sie die Lider. »Wie geht es dir?« fragte er leise.
»Irgendwie — werde ich weiterleben. Wo ist mein Vater?«
»Heute nachmittag müssen wir ihn begraben«, erwiderte er zögernd.
»So schnell? Wir brauchen einen Priester.«
»Glaub mir, Alaina, er muß begraben werden. Sobald ein Priester hierherkommt, wird er einen Trauergottesdienst abhalten.«
»Oh ...«
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