Der Rebell
Einige Leute verspotteten den besiegten Dandy, und jemand verkündete: »Das ist Major McKenzie aus Florida. Demnächst werden Sie sich in einen Rebellen verwandeln, was, Major?«
Zu Ians Verblüffung und Ärger antwortete Alaina an seiner Stelle. »Sobald Florida eine Entscheidung trifft, wird mein Mann den Interessen seines Staates dienen.«
Am liebsten hätte er die Hände um ihren schönen Hals gelegt und zugedrückt. »Entschuldige mich, Onkel Andrew«, bat er, packte ihren Ellbogen und zog sie die Treppe hinauf.
Natürlich spürte sie seine Wut. Sie hatte ihn so schmerzlich vermißt und das Wiedersehen ungeduldig herbeigesehnt, während sie auf der Insel nach ihrer schweren Krankheit zu Kräften gekommen war. Mit jedem Tag wuchs ihre Liebe zu Ian. Wie diese Ehe zustande gekommen war, spielte keine Rolle mehr. Sie liebte seinen Stolz, seine Entschlossenheit, sein Ehrgefühl, die Wertschätzung, die er ihrem Vater entgegengebracht hatte. Und sie liebte seinen Anblick, seine Gesten, seine Berührung, die Art, wie seine Augen glühten, wenn er sie begehrte.
Aber er war so unvernünftig. Warum verbot er ihr, die Festlichkeiten aus nächster Nähe mitzuerleben, nachdem South Carolina die Trennung von der Union bekanntgegeben hatte? Sie saßen auf dem schmiedeeisernen Balkon der Hotelsuite, hörten den Jubel auf der Straße, die ohrenbetäubende Blasmusik, beobachteten Tänzer und Akrobaten und das leuchtendbunte Feuerwerk am nächtlichen Himmel.
Während des ganzen Abends behandelte Ian seine Frau höflich, aber kühl, und sie fürchtete die Explosion seines aufgestauten Zorns. Wenn er sein Schweigen brach, richtete er das Wort ausschließlich an Brent. Doch sie wollte sich die Freude nicht verderben lassen, genoß das Spektakel und unterhielt sich angeregt mit Sydney.
Erst nach Mitternacht verstummte der Lärm. Sie wünschten Brent und Sydney eine gute Nacht, dann zogen sie sich in ihr eigenes Schlafzimmer zurück. Ungeschickt, von der fortgeschrittenen Schwangerschaft behindert, legte Alaina ihr Cape ab und wünschte, sie hätte Lilly nicht erlaubt, sich unter das jubelnde Volk auf den Straßen zu mischen. Der samtene Umhang hatte ihren Zustand verborgen. Aber das Trauerkleid zeigte den gewölbten Bauch nur zu deutlich, und sie senkte verlegen den Kopf. Als sie spürte, wie Ians Hände die winzigen Knöpfe an ihrem Rücken öffneten, zuckte sie zusammen. Würde er sie jetzt mit anderen Frauen vergleichen?
»Danke«, flüsterte sie, preßte das Kleid an ihre Brust und floh hinter einen Wandschirm, um aus der Unterwäsche zu schlüpfen und ihr voluminöses Nachthemd anzuziehen. Wenig später saß sie am Toilettentisch und bürstete ihr Haar. Im Spiegel begegnete sie dem Blick ihres Mannes, der bereits im Bett lag. »Es ist nicht meine Schuld, daß South Carolina von der Union abgefallen ist.«
»Gewiß nicht. Aber ich kann mich nicht über eine Entscheidung freuen, die viele junge Männer in den Tod treiben wird.«
»Wie unvernünftig du bist«, seufzte sie. »Warum rechnest du mit einem Krieg? Die meisten Nordstaatler lassen die >Abtrünnigem nur zu gern laufen. Glaub mir, Florida wird South Carolinas Beispiel folgen. Die Senatoren planen bereits, die militärischen Institutionen der Union in unserem Staat zu übernehmen ...«
»Oh, und woher beziehst du deine Informationen?«
Sie zögerte und erinnerte sich, wem sie ihre Kenntnisse verdankte. Peter O'Neill. Nicht, daß sein Entschuldigungsbrief irgend etwas an ihrer Verachtung geändert hätte. Nachdem er sie wortreich um Verzeihung gebeten hatte, berichtete er in patriotischem Ton von den wichtigen politischen Ereignissen in Florida. Vielleicht wird die Sezession seine guten Charakterzüge fördern, hatte sie gedacht. Und sie wünschte, sie könnte verstehen, warum Ian die unausweichlichen Tatsachen nicht akzeptierte. »Das habe ich in der Zeitung gelesen«, erwiderte sie. »Und obwohl ich auf einer abgeschiedenen Insel lebe, kenne ich einige Leute in unserem Staat.«
»Also fiebert ihr alle der Sezession entgegen? Falls sich Florida dazu entschließen sollte, wäre es bedauerlich — eine unselige Rebellion, die ein Blutbad heraufbeschwören würde.«
»Auch die dreizehn Kolonien mußten rebellieren, um sich von den englischen Tyrannen zu befreien. Und nun tritt der Süden in ihre Fußstapfen, weil er sein Schicksal selbst bestimmen möchte.«
»Willst du eine Rebellin werden?« fragte Ian kühl.
»Wir stammen beide aus Florida«, betonte sie und
Weitere Kostenlose Bücher