Der Rebell
legte die Haarbürste beiseite. »Trotzdem können wir uns in diesem Punkt nicht einigen.«
»Da gibt es nichts, worauf wir uns einigen müßten. Wir führen keine Verhandlungen.«
»Offenbar begreifst du die Situation nicht«, entgegnete sie und stand auf. »Wenn Florida von der Union abfällt, werde ich nicht im Norden bleiben.«
»Nein?« knurrte er, sprang aus dem Bett und ging zu ihr. Jetzt sah sie, daß er eine lange Unterhose trug. »Du würdest nicht im Norden leben, weil ein Krieg ausbrechen könnte? Glaub mir, der Süden wird verlieren. Was wollen acht Millionen Südstaatler gegen zwanzig Millionen Nordstaatler ausrichten? Von den acht Millionen Menschen, die den Süden bevölkern, sind drei Millionen Sklaven. Und die würden sich auf die Seite ihrer Befreier schlagen. Also gibt's nur fünf Millionen Rebellen. Im Süden existieren nur wenige Fabriken. Wie will sich das Heer mit Kriegsmaterial versorgen? Der Norden wird die Häfen blockieren und alle Importe verhindern.«
»Meinst du, die US-Army könnte die ganze Florida-Küste blockieren? Niemals!«
»Richtig. Und der Süden kann sie nicht verteidigen. Euer Kampf ist verloren, bevor er angefangen hat.«
»Das sehe ich anders.«
»Aber du bist meine Frau, Alaina. Deshalb mußt du die Dinge mit meinen Augen betrachten. Eine Ehefrau sollte ihren Mann unterstützen.«
Da verlor sie die -Beherrschung und schrie: »Sicher nicht — wenn sich der Mann wie ein Idiot benimmt!«
Ehe sie wußte, wie ihr geschah, hob er sie hoch und legte sie aufs Bett. Dann löschte er die Gaslampe auf dem Nachttisch, streckte sich neben ihr aus und kehrte ihr den Rücken. Auch Alaina wandte sich von ihm ab. Aber es fiel ihr schwer, mit ihrem stark gewölbten Bauch eine Stellung zu finden, in der sie einschlafen konnte.
Schließlich schmiegte sie ihre Brüste an Ians Rücken. Da begann das Baby zu strampeln, und er spürte es. Er drehte sich zu ihr um und strich über ihren Bauch. »Was immer auch geschehen mag, unser Kind hat beschlossen, alles zu überleben«, flüsterte er und zog sie endlich an sich. Zufrieden schloß sie die Augen. Nach einer kleinen Weile fügte er hinzu: »Auch die Union wird alles überleben.«
Doch sie stellte sich schlafend. Dieses Wortgefecht konnte sie vorerst ohnehin nicht gewinnen. Die Zeit würde eine Entscheidung herbeiführen. Und die Zeit war Ians Gegnerin.
Sie hatten sich am 20. Dezember in Charleston getroffen, und Ian wollte die Weihnachtstage bei Brent und Sydney verbringen. Am Heiligen Abend traf er alte Freunde von der US-Army, die bereits beschlossen hatten, den Dienst zu quittieren.
Um Himmels willen, fragte er sich, sollen wir alle gegeneinander kämpfen?
Nach jener ersten schlaflosen Nacht vermied er weitere Diskussionen mit Alaina. Wenn er neben ihr lag, den Duft ihrer seidigen Haare roch, ihren warmen Körper und die Bewegungen seines Babys spürte, begehrte er sie mit allen Sinnen. Aber er würde sie nicht anrühren, bevor sie ein gesundes Kind geboren und sich von ihrer schweren Krankheit erholt hatte. Nach Weihnachten wollte er mit ihr nach Washington reisen. Natürlich wäre er glücklich gewesen, könnte sein Erbe auf Cimarron zur Welt kommen. Trotzdem mußte er sich mit dem Haus begnügen, das er in der Hauptstadt gemietet hatte. Die Niederkunft sollte Mitte Januar stattfinden. Aber vielleicht hatte es das Baby eilig, und es durfte nicht auf dem Weg von Süden nach Norden geboren werden.
Am Weihnachtsmorgen stand er zeitig auf, ließ Alaina schlafen und wanderte zum Hafen. Träge schaukelten die Schiffe am Horizont, und Ian betrachtete die Forts, die an der Küste Wache hielten. Eine schöne Szenerie, dachte er. Und so friedlich. Wie lange noch? Den Fuß auf einen kleinen Felsblock gestützt, zog er einen Brief seines Bruders aus der Tasche, den er am letzten Abend erhalten hatte. Nun praktizierte Julian wieder in St. Augustine.
Hallo, Bruder! Inzwischen bin ich zurückgekehrt. Deine Frau hat sich in meiner Obhut bestens erholt, und Jerome berichtet, seinen Eltern und den Malloys würde es gutgehen. Natürlich herrscht überall helle Aufregung. Wie du weißt, sind Gouverneur Perry und der designierte Gouverneur Milton glühende
Sezessionisten. Unsere Senatoren Yulee und Mallory verkünden, die Florida-Stützpunkte müßten der Union sofort entrissen werden. Beinahe gewinnt man den Eindruck, die Trennung von den Vereinigten Staaten wäre bereits erfolgt. Letzte Woche besuchte ich unsere Eltern. Beide machen sich
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