Der Rebell
bereits vertraut war, weil viele kubanische Schiffe an die Florida-Küste segelten. Rose betonte, in einem Krieg seien Fremdsprachen wertvolle Waffen.
Kurz nach Ians Abreise erklärte sie, gewisse Informationen müßten über den Potomac gelangen. Alaina sollte durch die Unionslinien nach Süden fahren und außerhalb von Alexandria einen Geheimagenten namens Captain Lewes treffen. Auf keinen Fall durfte diese wichtige Information in falsche Hände geraten: General McDowell von der US-Army plante einen Angriff auf Beauregards zwanzigtausend Mann, die in Manassas Junction stationiert waren, beim Bull Run Creek, nur dreißig Meilen von Washington entfernt.
Von einem Dienstmädchen ihrer Freundin begleitet, reiste Alaina nach Alexandria und überreichte dem jungen Captain, der die schlichte Kleidung eines Farmers trug, die geheime Nachricht. Obwohl die Aktion reibungslos verlaufen war, zitterte sie bei ihrer Rückkehr am ganzen Körper. Um ihre Nerven zu beruhigen, sagte sie sich, die Konföderierten Staaten, für die viele ausgezeichnete ehemalige Unionssoldaten kämpften, würden bald den Sieg erringen. Dann mußten die Vereinigten Staaten die Unabhängigkeit des Südens akzeptieren, und man konnte wieder freundschaftliche Beziehungen pflegen.
Vier Tage später fand die Schlacht von Manassas oder Bull Run statt. Die halbe Bevölkerung von Washington fuhr hinaus, um das Spektakel zu verfolgen. Aber Alaina blieb daheim und fühlte sich elend.
Nach dem Gefecht stand sie auf der Straße und beobachtete, wie McDowells Soldaten in die Stadt zurückkehrten — von den Rebellen, die den >Überraschungsangriff< erwartet hatten, vernichtend geschlagen. Verstümmelt und blutüberströmt, schleppten sie sich mit letzter Kraft in ihre Quartiere. Alaina, Lilly und Henry brachten den erschöpften Männern frisches Wasser und Brot.
Als Alaina in die schmutzigen, blutenden Gesichter schaute, sah sie zum erstenmal das Grauen des Krieges und erschauerte. Die ganze Nacht weinte sie und starrte zur dunklen Zimmerdecke hinauf.
Kurz vor Mitternacht wurde ein Kieselstein gegen die Fensterscheibe geworfen. Sie stand auf spähte hinaus und sah Captain Lewes in seiner Tarnkleidung unter einer Eiche stehen.
Hastig schlüpfte sie in einen Morgenmantel und eilte aus dem Haus.
»Ich möchte Ihnen nur den Dank meiner Vorgesetzten ausrichten«, flüsterte Lewes. »Mit Ihrer und Mrs. Greenhows Hilfe konnten wir einen großen Sieg feiern.«
»Heute sah ich McDowells Truppen zurückkehren — es war gräßlich ...«
»Solange sich unter den Toten und Verletzten mehr Unionssoldaten als Rebellen befinden, besteht kein Grund zur Sorge. Trösten Sie sich mit diesem Gedanken, Ma'am. In einem Krieg muß man nun einmal Partei ergreifen.« Er tippte an seinen Hut und verschwand in der Finsternis.
Während der restlichen Nacht versuchte sie sich zu beruhigen. Sie hatte den Krieg nicht heraufbeschworen. Sie tat nur ihr Bestes, um den Süden zu unterstützen.
Zehn Tage nach der Schlacht von Manassas besuchte sie ein Treffen in Roses Haus, wo ihr die Frau eines Unionsgenerals einen Brief von Jennifer zusteckte. Von revolutionärem Feuer erfüllt, hatte sich Lawrence Malloy keiner Florida-Einheit angeschlossen, sondern unter Beauregard als Kavalleriehauptmann gedient, um näher an der Unionsfront zu kämpfen.
Nun war er tot, bei Manassas gefallen. Seine unglücklichen Soldaten hatten die verstümmelte, von Kugeln durchlöcherte Leiche nach Süden gebracht. Nicht nur Trauer sprach aus Jennifers Zeilen, sondern wilder Haß. Wie sie dem Brief eines Offiziers entnahm, war Lawrence erschossen worden, nachdem er seinen Männern den Rückzug befohlen hatte.
Mögen all die feigen, elenden Bastarde von der US-Army in diesem Krieg vermodern, schrieb sie. Von jetzt an tue ich mein Bestes für die Konföderation, Alaina, und ich riskiere alles. Ohne Lawrence bedeutet mir das Leben ohnehin nichts mehr.
In dieser Nacht weinte Alaina um den guten, tapferen Lawrence, einen ihrer besten Freunde. Nun war die arme Jennifer allein. Nein, nicht ganz. Sie hatte ihren süßen kleinen Anthony, ihre Eltern und ihre Brüder, ihre Tante und ihren Onkel, ihre Kusine Tia, ihren Vetter Julian — und Ian.
Ian, der Unionssoldat, der Feind ...
Als Alaina in Roses Haus die Tochter des Colonels wiedersah, wurde sie von neuen Gewissensbissen geplagt. Risa erzählte bedrückt, sie würde im Hospital verwundete Unionssoldaten pflegen. »Wie schrecklich, daß Captain Malloy gefallen ist!
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