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Der Regen in deinem Zimmer - Roman

Der Regen in deinem Zimmer - Roman

Titel: Der Regen in deinem Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Tatsache ist, dass er nett war und ich ihm vertraue. Zum Glück habe ich seine Handynummer nicht, sonst würde ich ihm jetzt eine SMS schicken. Was für ein Durcheinander, es ist alles so kompliziert. Zum Teufel mit Sonia, der Schule, Giovanni. Zum Teufel mit allen. Auch mit Gabriele.

3. Dezember
    Heute bin ich völlig paranoid eine halbe Stunde früher in die Schule gekommen. Kaum habe ich einen Fuß in die Klasse gesetzt, habe ich nur darauf geachtet, wie alle mich angucken und grüßen, als würde es irgendjemanden interessieren, wie ich meine Zeit totschlage, wenn ich blaumache. Ich bin wirklich nicht mehr ganz dicht. Wie zu erwarten, passiert nichts. Alles ist geradezu quälend normal, und auch als Gabriele kommt, schaut kaum jemand auf. Als er sich setzt, tue ich so, als sei ich völlig in meine Matheaufgaben vertieft, und wir grüßen uns kaum, genau wie letzte Woche. Mir wird klar, dass ich maßlos übertrieben habe. Während dieser Vormittag in schier betäubender Normalität verrinnt, muss ich mir frustriert eingestehen, dass ich ein dummes, hysterisches Huhn bin. Gabriele sagt kein Wort, in der Pause geht er wie üblich rauchen. Ich kann ganz beruhigt sein, dabei bin ich es kein bisschen. Glühende Enttäuschung packt mich angesichts all dessen, was NICHT passiert. So ist es also: Er hat’s versucht, und weil es nicht gelaufen ist wie erhofft, tun wir jetzt so, als wäre nichts gewesen.
    Plötzlich weichen all meine Befürchtungen einer leise stechenden Wut, doch ich will sie nicht zeigen und tue so, als würde ich dem Unterricht folgen. Es ist alles vorbei, aber immerhin haben wir’s versucht. Das ist Claudias Lieblingsfloskel; wie oft habe ich sie das zu meiner Mutter sagen hören, wenn wieder einmal eine ihrer Beziehungen in die Brüche gegangenwar. Besser so, genau das wollte ich doch eigentlich, oder? Gut gemacht, Gabriele, du hast meine Gedanken gelesen.
    Als die letzte Stunde rum ist, schnappt er sich seinen Rucksack vom Boden und geht. Er verabschiedet sich so leise, dass ein fallendes Herbstblatt dagegen wie Kanonendonner klingt. Ich hauche ihm ein Ciao nach, das er garantiert nicht gehört hat und gehe nach Hause, um zu feiern. Ich bin froh, dass heute Angela und Claudia kommen, wenigstens kann ich dann einen Moment lang an etwas anderes denken.
    Als ich nach Hause komme, sind die beiden noch nicht da, also surfe ich ein bisschen im Netz und höre mir das Horoskop von Paolo Fox an: Heute sind Sie nervöser als sonst, ein Streit mit dem Partner liegt in der Luft. Welcher Partner?
    Was stand wohl in deinem Horoskop, als du gestorben bist.

7. Dezember
    Seit zwei Tagen war Gabriele nicht in der Schule, und er fehlt mir ein bisschen. Heute regnet es. Ich stelle mir vor, dass er in Petrits Wohnung rauchend auf seinem Bett liegt und Comics liest. Er denkt nicht an mich, und das ist gut so. Als er meinte, ich wisse nicht, was ich wolle, hatte er recht. Das verwirrt mich ja so: zu wissen, dass er etwas von mir weiß, das ich nicht weiß. Darum mag ich ihn. Na bitte, jetzt ist es raus. Ich kann nicht sagen, warum, aber wenn man mit ihm zusammen ist, merkt man sofort, dass er ziemlich genau kapiert, wie man tickt. Sehr genau sogar. Zwar hackt er auf allem und jedem herum, auf den Lehrern, der Schule, den Eltern, aber letztlich ist jeder auf irgendwen sauer.
    Ich bin müde und schlecht drauf und außerdem habe ich zum ersten Mal in meinem Leben nichts für die Schule getan. Scheiße, zum Glück ist morgen Feiertag.

12. Dezember
    Jetzt kommt das, wovor ich mich die ganze Zeit gefürchtet habe: Weihnachten. Bis dahin sind es noch weniger als zwei Wochen, und am liebsten würde ich verschwinden, aber eigentlich beunruhigt mich etwas anderes. Nonna ging es nicht gut. Eine leichte Depression hat der Arzt gesagt, sie solle sich ablenken. Ich habe sofort Claudia angerufen, die noch am selben Abend gekommen ist. Vielleicht hätte ich auch Angela Bescheid sagen sollen, aber in solchen Dingen ist Claudia besser: Wenn sie einen ansieht und sagt, alles wird gut, dann glaubt man es, und meistens hat sie recht. Nur bei Mama hat es nicht funktioniert. Claudia hat gesagt, ihre Mutter würde demnächst nach Ischia zu den Thermen fahren, Nonna könnte doch mit und sich ein bisschen zerstreuen. Schon möglich, habe ich gedacht, aber Nonna würde bestimmt nie ohne mich fahren. Doch als Claudia sie fragte, war sie sofort einverstanden. Sie muss wirklich sehr erschöpft sein, sonst würde sie nicht mit einer Wildfremden

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