Der Regen in deinem Zimmer - Roman
mein T-Shirt und den BH hoch.
Der bittere Geschmack der Angst erfüllt meinen Mund, mein Herz schlägt zum Zerspringen und dröhnt in meinen Ohren. Ich schreie, aber es ist, als hörte ich meine eigene Stimme nicht, und das Zimmer beginnt sich zu drehen. Das bin nicht mehr ich, sondern ein mit Angst ausgestopftes Tier. Als ich seine Hand zwischen den Beinen spüre, ramme ich ihm das Knie in die Weichteile, dass er unversehens von seiner Beute ablässt. Ich schaffe es, mich zu befreien und vom Sofa aufzuspringen, doch er ist schneller und versetzt mir einen derart heftigen Stoß, dass wir beide über den Boden rollen und miteinander zu ringen beginnen, derweil mir die Tränen übers Gesicht strömen und die Angst mir die Kehle abdrückt. Er nennt mich Nutte, Flittchen, dann packt er mich bei den Haaren und verpasst mir eine Ohrfeige, die mir den Atem nimmt. Schluchzend flehe ich ihn an aufzuhören, doch umsonst. Als er mich beim Arm packt und zum Bett schleifen will, trete ich ihn mit voller Wucht gegen das Bein. Er stöhnt auf, doch statt mich loszulassen, rammt er mir die Faust in den Magen, dass ich rücklings zu Boden gehe. Aus meiner Kehle dringt ein Röcheln und Grunzen, das nicht von mir zu stammen scheint. Ich bin das Tier, das zu Tode geknüppelt wird. Ich krümme mich zusammen, ziehe vor Schmerz die Knie an die Brust und fange unkontrolliert an zu beben. Als er sich abermals nähert, überkommt mich eine derartige Übelkeit, dass ich kotzen muss.
»Scheiße, ist das widerlich!«, höre ich ihn sagen. »Scheiße, ist das widerlich!« Ich öffne die Augen und sehe, wie er mit wutverzerrtem Gesicht über mir steht. »Das machst du sauber, verstanden?«
Ich nicke, während er im Bad verschwindet. Das ist meine einzige Chance. Trotz des Schmerzes rapple ich mich mitübermenschlicher Anstrengung auf die zittrigen Knie. Gerade als sich die Tür zum Bad wieder öffnet, komme ich auf die Beine und spüre, wie das Adrenalin mir in jede Körperzelle schießt. In einem Bruchteil von Sekunden bin ich aus dem Zimmer und stürze die Treppe hinunter und zur Tür hinaus, und kaum bin ich draußen, fange ich an zu schreien, gleich dort auf der Schwelle, mit der ganzen Kraft meiner Lungen, und renne ohne stehen zu bleiben weiter, selbst, als ich schon auf der Straße bin.
Ich drehe mich nicht um, ich renne, ohne zu wissen, wohin. Laufe über die Straße und werde beinahe überfahren. Höre die Hupe und es ist, als würde sie mir zusammen mit meinem Herzen in der Brust explodieren. Mehrmals rutsche ich aus, schlage mir die Knie auf, stütze mich auf die Arme und spüre, dass sie zittern, als würde mich jemand heftig schütteln. Ich renne weiter. Als ich die offene Eingangstür eines Wohnhauses sehe, flüchte ich hinein, drücke mich gegen die Mauer, sinke zu Boden und schlinge die Arme um meine Knie. Ich versuche, das Zittern abzustellen, doch es gelingt mir nicht, die Luft brennt in meinen Lungen und verursacht mir unerträgliche Schmerzen. Das Licht geht an, ich höre Stimmen. Ich rapple mich hoch, stolpere hinaus, und erschauere, als die kalte Luft auf meinen schweißnassen Körper trifft. Ich bemühe mich, einen klaren Gedanken zu fassen, blicke mich um. Es ist niemand da. Ich will wieder losrennen, doch ich schaffe es nicht mehr, also gehe ich. Nach Hause.
31. Dezember
Als ich aufwache, ist es schon fast elf. Gestern Abend bin ich mit dem Ersatzschlüssel hereingekommen, der im Garten versteckt ist. Alles – meine Jacke, meine Tasche, der Roller – sind bei Giovanni geblieben. Ich bin ins Bad gegangen und habe geduscht. Mit geschlossenen Augen, die Handflächen gegen die Wand gestützt, habe ich das Wasser lange laufen lassen, um all die Kälte und Angst fortzuspülen. Ich habe versucht, so leise wie möglich zu sein, doch zum Glück war Nonna schon im Bett, hat nichts gehört. Als ich mich im Spiegel sah, habe ich einen Schreck gekriegt: verstörte, geschwollene Augen, graues, blutleeres Gesicht. Ich habe mich in den warmen Bademantel gekuschelt und mich mit dem Rücken gegen die Wand auf den Boden gesetzt. Die ganze Zeit flüsterte ich Mama, MamaMamaMama, unaufhörlich, als könnte sie meine tonlose Litanei hören, als könnte sie mich noch retten. In meinem Zimmer habe ich ganz langsam den Schlafanzug angezogen, alles tat mir weh: der Rücken, die Arme, aber vor allem der Unterleib. Ich habe versucht, an nichts zu denken, völlig benommen von dieser jähen Gewalt, deren dumpfes Dröhnen meinen Kopf erfüllte
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