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Der Regen in deinem Zimmer - Roman

Der Regen in deinem Zimmer - Roman

Titel: Der Regen in deinem Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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kommt. Nach den üblichen Begrüßungen höre ich, wie Nonna die Stimme senkt und ihr etwas sagt, dann nähern sich Schritte. Ein leises Klopfen, und sie tritt ein. Kaum sehe ich sie, breche ich in Tränen aus. Sie setzt sich auf mein Bett und nimmt mich in die Arme. »Du glühst ja«, sagt sie. »Du hast Fieber.« Sie hält mich ganz fest und wiegt mich sanft. Sie fragt nichts, hält mich einfach nur, doch die Angst bleibt trotzdem, die Verzweiflung des gestrigen Abends und all dieser Monate. Nach einer Weile schlafe ich ein, als hätte mein Körper dennoch beschlossen, nichts mehr zu fühlen.
    Claudia ist über Silvester geblieben. Sie meinte, ihre Einladung zum Festessen sei ihr egal, und ich habe mich gefreut. Sie hat mir keine Fragen gestellt und nur gesagt, was immer es gebe, sie sei für mich da. Nonna muss ihr gesteckt haben, dass ich mich mit meinen Freundinnen in die Haare gekriegt habe, und sie hat es wohl geglaubt.
    Gleich nach Mitternacht hat auch Angela aus den Bergen angerufen: Sie sei dort mit ihren Eltern, dem Vater gehe es nicht gut, deshalb wolle sie sie nicht allein lassen. Aber nächsteWoche käme sie uns besuchen. Als ich Claudia das Handy weitergereicht habe, ist sie außer Hörweite gegangen, und ich wusste, dass sie über mich sprachen.
    Als Claudia hier war, habe ich mich besser gefühlt, auch wenn die Angst nicht gewichen ist. Das Fieber ist noch immer hoch, und manchmal fange ich an, unkontrolliert zu zittern. Mein Körper erinnert sich an alles, er will mich aufrütteln, damit ich rede und er sich beschützt und sicher fühlen kann.
    Seit gestern Abend habe ich nicht mehr aufs Handy geschaut, als könnte davon irgendeine Bedrohung ausgehen. Claudia hat Nonna bei der Vorbereitung unserer kleinen Dreierparty geholfen. Wir haben alle wenig gegessen, und mit Ach und Krach habe ich mich bis zum Anstoßen um Mitternacht wachgehalten. Ehe ich ins Bett gegangen bin, habe ich Claudia ganz fest umarmt und mich tausendmal bei ihr bedankt.

2. Januar
    Heute ist Claudia gefahren, doch sie hat versprochen, bald wiederzukommen, und mir angeboten, sie für ein paar Tage zu besuchen. Ich habe sofort ja gesagt und sie gefragt, wie lange ich bleiben dürfe. Sie meinte, so lange ich wolle. Weil ich sie nicht in Sorge abfahren lassen wollte, habe ich ihr erzählt, ich hätte mit meiner besten Freundin wegen eines Typen gestritten und sei stinkwütend Knall auf Fall von ihrer Party abgerauscht. Zum Glück kamen nur die typisch unbedarften Frauenfragen, ob ich in den Jungen verliebt sei, ob mir diese Freundschaft viel bedeute, und so musste ich nicht in die Details gehen. Es tat mir leid, sie anzulügen, doch ich weiß, dass ich keine andere Wahl habe. Mama hätte mich in die Zange genommen, bis ich ihr alles gesagt hätte, und mich nicht nur vor Giovanni, sondern auch vor mir selbst gerettet.
    Das Fieber ist runtergegangen, aber ich bin immer noch schwach und bleibe den ganzen Morgen im Bett. Am Nachmittag weckt mich die Klingel. Ich höre, wie Nonna nachfragt, dann ihre Schritte im Flur. Das Blut gefriert mir in den Adern. Es könnte Sonia sein, oder Giovanni – um was zu wollen? Da erscheint Nonna in der Tür. »Es ist dein Freund Gabriele, ich hab ihm gesagt, er soll raufkommen.«
    Stumm und starr wie eine Statue liege ich da. Ich schwanke zwischen Freude und etwas, das einem Schuldgefühl gleichkommt. Nonna geht ihm entgegen. Ich höre Schritte, dann ein zaghaftes Klopfen. Kaum steht er in der Tür und sieht michan, geht mir auf, wie dumm ich gewesen bin. Ich begrüße ihn mit einem verlegenen Lächeln und hoffe, er merkt trotzdem, wie sehr ich mich freue.
    »Ciao«, sagt er verhalten und blickt sich um.
    »Ciao«, antworte ich leise und versuche über meine Überraschung hinwegzukommen. »Setz dich.« Ich deute auf den Schreibtischstuhl.
    Er schüttelt den Kopf und bleibt reglos mitten im Zimmer stehen. »Ich bin gleich wieder weg. Ich wollte nur hallo sagen.«
    »Alessandra, ich bin in der Küche. Wenn ihr was möchtet, sagt Bescheid.« Nonna geht hinaus.
    »Setz dich«, sage ich noch einmal und zeige abermals auf den Stuhl.
    »Ich hab dir zwei SMS geschickt.« Er kommt gleich auf den Punkt. »Du hast mir nicht geantwortet.« In seiner ruhigen Stimme schwingt ein Hauch von Gereiztheit mit.
    »Nein, ich meine, ich hab sie nicht gesehen, ich war krank. Ich hab seit mindestens zwei Tagen nicht mehr auf mein Handy geschaut.« Ich hoffe, er glaubt mir, denn das ist womöglich die einzige Wahrheit, die ich

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