Der Regenmacher
ich.
»Nein. Später«, sagt sie und greift nach ihren Gartenhandschuhen. »Gehen wir wieder an die Arbeit.«
Stunden später sitze ich mit Dot und Donny Ray auf der mit Unkraut bewachsenen Terrasse vor ihrer Küche. Buddy ist im Bett, Gott sei Dank. Donny Ray ist erschöpft von seinem Tag bei Miss Birdie.
Es ist ein Samstagabend in den Vororten, und in der stickigen Luft liegt der Geruch nach Holzkohle und gegrilltem Fleisch. Die Stimmen von Gartenköchen und ihren Gästen dringen über Holzzäune und säuberlich beschnittene Hecken zu uns herüber.
Es ist leichter, dazusitzen und zuzuhören, als dazusitzen und zu reden. Dot zieht es vor, zu rauchen und ihren koffeinfreien Instantkaffee zu trinken und hin und wieder ein nutzloses Bröckchen Klatsch über einen ihrer Nachbarn von sich zu geben. Oder über einen der Hunde der Nachbarn. Der Rentner nebenan hat vorige Woche beim Arbeiten mit einer Stichsäge einen Finger verloren, und das erwähnt sie nicht weniger als dreimal.
Es ist mir egal. Ich kann stundenlang dasitzen und zuhören. Mein Geist ist immer noch vom Anwaltsexamen benommen. Es gehört nicht viel dazu, mich zu unterhalten. Und wenn es mir gelingt, die Juristerei zu vergessen, dann ist da immer noch Kelly, mit der sich mein Denken beschäftigen kann. Ich muß mir noch etwas einfallen lassen, wie ich mich mit ihr in Verbindung setzen kann, ohne ihr zu schaden. Aber ich werde es tun. Laßt mir nur ein bißchen Zeit.
21
Das Shelby County Justice Center ist ein modernes, zwölf Stockwerke hohes Gebäude in der Innenstadt. Hier wird nach dem Konzept schnelle Gerechtigkeit vorgegangen. Es gibt Unmengen von Gerichtssälen und Büros für Kanzlisten und Verwaltungspersonal. Das Haus ist zugleich Sitz der Staatsanwaltschaft und des Sheriffs. Es enthält sogar ein Gefängnis.
Das Strafgericht hat zehn Abteilungen, zehn Richter mit verschiedenen Zuständigkeitsbereichen in verschiedenen Gerichtssälen. Auf den mittleren Stockwerken wimmelt es von Anwälten und Polizisten, Angeklagten und deren Angehörigen. Für einen Neuling ist es ein beängstigender Dschungel, aber Deck kennt sich aus. Er hatte schon ein paarmal hier zu tun.
Er deutet auf die Tür von Abteilung Vier und sagt, er wäre in einer Stunde wieder zurück. Ich trete durch die Doppeltür und lasse mich auf einer der hinteren Bänke nieder. Der Fußboden ist mit Teppichboden ausgelegt, die Möblierung ist deprimierend modern. Im vorderen Teil des Saales wimmeln Anwälte wie Ameisen. Rechts befindet sich ein abgegrenzter Bereich, in dem ein Dutzend Häftlinge in orangefarbenen Overalls darauf warten, zum ersten Mal dem Richter vorgeführt zu werden. Eine Anklägerin sucht in einem Stapel Akten nach der für den richtigen Angeklagten.
In der zweiten Reihe von vorn sehe ich Cliff Riker. Neben ihm sitzt sein Anwalt und hantiert mit Papieren. Seine Frau ist nicht im Saal.
Der Richter erscheint, und alle erheben sich. Ein paar Fälle werden abgehandelt, Kautionen bestimmt oder aufgehoben, künftige Verhandlungen angesetzt. Die Anwälte drängen sich um den Richtertisch, dann nicken sie und flüstern mit Seinen Ehren.
Cliff s Name wird aufgerufen, und er stolziert selbstbewußt zu einem Podium vor dem Richtertisch. Sein Anwalt hält sich mit den Papieren neben ihm. Die Anklägerin informiert das Gericht, daß die Anklagen gegen Cliff Riker aus Mangel an Beweisen fallengelassen wurden.
»Wo ist das Opfer?« unterbricht der Richter.
»Sie hat es vorgezogen, nicht zu erscheinen«, erwidert die Vertreterin der Anklage.
»Weshalb?«
Weil sie im Rollstuhl sitzt, hätte ich am liebsten geschrien.
Die Anklägerin zuckt die Achseln, als hätte sie keine Ahnung und als wäre ihr das im übrigen völlig gleichgültig. Cliffs Anwalt zuckt ebenfalls die Achseln, als wäre er überrascht, daß die junge Dame nicht hier ist, um ihre Wunden vorzuzeigen.
Die Anklägerin ist eine vielbeschäftigte Person mit Dutzenden von Fällen, die bis Mittag erledigt werden müssen. Sie liefert eine knappe Zusammenfassung der Tatsachen, schildert die Festnahme und fügt hinzu, daß die Tat sich nicht nachweisen lasse, weil das Opfer nicht aussagen will.
»Das ist das zweite Mal«, sagt der Richter und funkelt Cliff an. »Weshalb lassen Sie sich nicht scheiden, bevor Sie Ihre Frau umbringen?«
»Wir bemühen uns, Hilfe zu bekommen, Euer Ehren«, sagt Cliff mit einstudiert kläglicher Stimme.
»Dann sehen Sie zu, daß Sie sie schnell bekommen. Wenn mir noch einmal eine
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