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Der Regenmacher

Der Regenmacher

Titel: Der Regenmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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sie dieses Experiment gestartet. Sie wußten, daß sie damit durchkommen würden. Sie verkaufen diese Policen an Leute, die nicht sonderlich gebildet sind, und sie rechnen damit, daß sie in ihrer Unwissenheit die Abweisungen akzeptieren.«
    »Was passierte, wenn Sie einen Brief von einem Anwalt bekamen?«
    »Dann sah die Sache völlig anders aus. Wenn sich der Anspruch auf weniger als fünftausend Dollar belief und legitim war, haben wir sofort gezahlt und einen Entschuldigungsbrief geschrieben. Nur ein internes Versehen, Sie wissen schon, diese Art von Brief. Vielleicht hatten auch unsere Computer schuld. Ich habe Dutzende solcher Briefe geschrieben. Wenn sich der Anspruch auf mehr als fünftausend Dollar belief, dann wurde mir die Akte aus der Hand genommen und einer höheren Instanz zugewiesen. Ich glaube, sie wurden fast immer bezahlt. Wenn der Anwalt eine Klage eingereicht hatte oder im Begriff war, es zu tun, bemühte sich die Gesellschaft um einen stillschweigenden Vergleich.«
    »Wie oft ist das passiert?«
    »Das weiß ich wirklich nicht.«
    Ich trete vom Podium zurück, sage »Danke«, dann wende ich mich an Drummond und sage mit einem freundlichen Lächeln: »Ihre Zeugin.«
    Ich setze mich zu Dot, die tränenüberströmt leise vor sich hin schluchzt. Sie hat sich schon immer Vorwürfe gemacht, daß sie sich nicht schon früher einen Anwalt gesucht hat, und jetzt diese Aussage hören zu müssen tut besonders weh. Einerlei, wie der Prozeß ausgeht – sie wird es sich nie verzeihen.
    Glücklicherweise sehen mehrere der Geschworenen ihr Weinen.
    Der arme Leo begibt sich langsam zu einer so weit von den Geschworenen entfernten Stelle, daß er gerade noch die Möglichkeit hat, Fragen zu stellen. Ich kann mir nicht vorstellen, was er fragen könnte, aber ich bin sicher, daß er schon des öfteren überrumpelt worden ist.
    Er stellt sich vor, sehr herzlich, teilt Jackie mit, daß sie sich natürlich noch nie begegnet wären. Damit will er den Geschworenen mitteilen, daß er keine Ahnung gehabt hat, was sie aussagen würde. Sie bedenkt ihn mit einem sengenden Blick. Jetzt haßt sie nicht nur Great Benefit, sondern auch jeden Anwalt, der erbärmlich genug ist, die Gesellschaft zu vertreten.
    »Stimmt es, Ms. Lemancyzk, daß Sie kürzlich wegen verschiedener Probleme in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wurden?« Er stellt diese Frage sehr behutsam. In einem Prozeß sollte man keine Fragen stellen, wenn man nicht die Antwort darauf bereits weiß, aber ich habe das Gefühl, daß Leo nicht weiß, was kommen wird. Seine Quelle sind ein paar verzweifelte Zuflüsterungen in der letzten Viertelstunde.
    »Nein, das stimmt nicht.« Sie ist wütend.
    »Ich bitte um Entschuldigung. Aber Sie waren in Behandlung?«
    »Ich bin nicht eingewiesen worden. Ich habe mich freiwillig in eine Klinik begeben und dort zwei Wochen verbracht. Ich konnte gehen, wann immer ich wollte. Die Behandlung war angeblich durch meine Personalpolice bei Great Benefit gedeckt. Sie war angeblich bis zwölf Monate nach meinem Ausscheiden gültig. Natürlich haben sie den Anspruch abgewiesen.«
    Drummond kaut auf einem Fingernagel und starrt auf seinen Block, als hätte er das nicht gehört. Nächste Frage, Leo.
    »Sind Sie deshalb hier? Weil Sie wütend sind auf Great Beneft?«
    »Ich hasse Great Benefit und die meisten der Würmer, die dort arbeiten. Beantwortet das Ihre Frage?«
    »Ist Ihr Haß der Grund dafür, daß Sie heute hier aussagen?«
    »Nein. Ich bin hier, weil ich weiß, daß sie ganz bewußt Tausende von Leuten betrogen haben. Diese Geschichte mußte erzählt werden.«
    Gib lieber auf, Leo.
    »Weshalb haben Sie sich in eine psychiatrische Klinik begeben?«
    »Ich kämpfe gegen Alkoholismus und Depressionen. Im Augenblick bin ich okay. Ich weiß nicht, wie es nächste Woche aussehen wird. Sechs Jahre lang bin ich von Ihren Mandanten wie ein Stück Fleisch behandelt worden. Ich wurde im Büro herumgereicht wie eine Schachtel Pralinen, und jeder hat sich genommen, was er haben wollte. Sie haben mir nachgestellt, weil ich pleite war, ledig mit zwei Kindern, und weil ich einen hübschen Hintern hatte. Das hat mich meine Selbstachtung gekostet. Jetzt schlage ich zurück, Mr. Drummond. Ich versuche, mich selbst zu retten, und wenn ich Behandlung brauche, dann beschaffe ich sie mir. Ich wollte nur, Ihr Mandant würde die verdammten Rechnungen bezahlen.«
    »Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.« Drummond kehrt eiligst zu seinem Tisch zurück.

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