Der Regenmacher
»Ich würde sagen, sie gelten so ziemlich allgemein.«
»Danke.« Ich mache des Effektes wegen eine kurze Pause, konsultiere einen Moment lang meine Notizen, lege einen anderen Gang ein, zwinkere Deck zu, der daraufhin den Gerichtssaal verläßt. »Nur noch ein paar Fragen, Mr. Lufkin. Haben Sie Jackie Lemancyzk nahegelegt, zu kündigen?«
»Das habe ich nicht getan.«
»Wie würden Sie ihre Leistungen beurteilen?«
»Durchschnittlich.«
»Wissen Sie, weshalb sie von ihrer Position als leitende Schadenssachbearbeiterin entfernt wurde?«
»Soweit ich mich erinnere, hatte es etwas mit ihren mangelnden Fähigkeiten im Umgang mit Leuten zu tun.«
»Hat sie bei ihrem Ausscheiden irgendeine Art von Abfindung erhalten?«
»Nein. Sie hat gekündigt.«
»Keinerlei Abfindung?«
»Nein.«
»Danke, Mr. Lufkin. Euer Ehren, ich bin fertig mit diesem Zeugen.«
Drummond hat zwei Möglichkeiten. Er kann Lufkin gleich vernehmen, ohne Suggestivfragen zu stellen, oder ihn sich für später aufsparen. Im Augenblick dürfte es unmöglich sein, diesen Kerl wieder auf die Beine zu stellen, und ich zweifle nicht daran, daß Drummond ihn so schnell wie möglich hier herausschaffen will.
»Euer Ehren, wir heben uns Mr. Lufkin für später auf«, sagt Drummond. Keine Überraschung. Die Geschworenen werden ihn nicht wieder zu Gesicht bekommen.
»In Ordnung. Mr. Baylor, rufen Sie Ihren nächsten Zeugen auf.«
Ich sage es mit voller Lautstärke. »Die Anklage ruft Jackie Lemancyzk auf.«
Ich drehe mich schnell um, um die Reaktion von Underhall und Aldy zu beobachten. Sie sind gerade dabei, miteinander zu flüstern, und sie erstarren, als sie ihren Namen hören. Ihre Augen quellen hervor, ihre Münder offnen sich in fassungsloser Verblüffung.
Der arme Lufkin hört es auf halbem Wege zur Doppeltür. Er bleibt wie angewurzelt stehen, wirft einen hektischen Blick auf den Tisch der Verteidigung, dann verläßt er noch schnelleren Schrittes den Gerichtssaal.
Drummond ist auf den Beinen, umgeben von seinen Leuten. »Euer Ehren, dürfen wir nach vorn kommen?«
Kipler bedeutet uns, heraufzukommen; er hat sich vom Mikrofon abgewendet. Mein Gegner tut so, als wäre er außer sich. Ich bin sicher, daß er überrascht ist, aber er hat keinen Anlaß, mir unlautere Machenschaften vorzuwerfen. Sein Atem geht stoßweise. »Euer Ehren, das kommt völlig überraschend«, zischt er. Es ist wichtig, daß die Geschworenen weder seine Worte hören noch sehen, wie schockiert er ist.
»Wieso?« frage ich gelassen. »Sie ist in der Vorverhandlung als potentielle Zeugin benannt worden.«
»Wir haben ein Recht darauf, im voraus informiert zu werden. Wann haben Sie sie gefunden?«
»Ich wußte nicht, daß sie verlorengegangen war.«
»Das ist eine faire Frage, Mr. Baylor«, sagt Seine Ehren und wirft mir zum erstenmal in der Geschichte einen mißbilligenden Blick zu. Ich schaue sie beide unschuldig an, als wollte ich sagen: »Hey, ich bin ein Anfänger. Da müssen Sie mir schon einiges nachsehen.«
»Sie ist in der Vorverhandlung benannt worden«, wiederhole ich, und wir wissen alle drei, daß sie aussagen wird. Vielleicht hätte ich das Gericht gestern informieren sollen, daß sie in der Stadt ist, aber das ist schließlich mein erster Prozeß.
Sie folgt Deck in den Gerichtssaal. Underhall und Aldy vermeiden es, sie anzusehen. Die fünf Typen von Trent & Brent verfolgen jeden ihrer Schritte. Sie bietet einen erfreulichen Anblick. An ihrem dünnen Körper hängt ein locker sitzendes blaues Kleid, das knapp über ihren Knien endet. Ihr Gesicht sieht völlig anders aus als gestern abend, viel hübscher. Sie legt ihren Eid ab, nimmt im Zeugenstand Platz, wirft einen haßerfüllten Blick auf die Typen von Great Benefit und ist zur Aussage bereit.
Ich frage mich, ob sie mit Underhall oder Aldy geschlafen hat. Gestern abend hat sie Lufkin und einen weiteren erwähnt, aber ich weiß, daß ich nicht die ganze Geschichte zu hören bekommen habe.
Wir bringen die grundlegenden Fragen schnell hinter uns, dann kommen wir zur Sache.
»Wie lange haben Sie für Great Benefit gearbeitet?«
»Sechs Jahre.«
»Und wann endete Ihre Anstellung?«
»Am 3. Oktober.«
»Wie hat sie geendet?«
»Ich wurde entlassen.«
»Sie haben nicht gekündigt?«
»Nein. Ich wurde entlassen.«
»Wer hat Sie entlassen?«
»Es war eine Verschwörung. Everett Lufkin, Kermit Aldy, Jack Underhall und noch ein paar andere.« Sie deutet mit einem Kopfnicken auf die Schuldigen, und
Weitere Kostenlose Bücher