Der Regenmacher
dann springt sie auf, um den Kaffee aufzugießen.
Wenn diese reizende alte Dame wirklich Millionärin ist, dann hat sie ein wahres Wunder vollbracht, es zu verheimlichen. Ich sehe mir die Küche genauer an. Der Tisch unter meinen Ellenbogen hat Aluminiumbeine und eine abgenutzte Resopalplatte. Sämtliche Geräte, Utensilien und Möbelstücke wurden vor Jahrzehnten erworben. Sie wohnt in einem reichlich vernachlässigten Haus und fährt einen alten Wagen. Offenbar gibt es weder ein Dienstmädchen noch anderes Personal. Nicht einmal ein Schoßhündchen.
»Wie nett«, sagt sie abermals und stellt die beiden Tassen auf den Tisch. Es steigt kein Dampf aus ihnen auf. Meine Tasse ist nur lauwarm. Der Kaffee schmeckt schwach, schal und fade.
»Guter Kaffee«, sage ich und schmatze anerkennend mit den Lippen.
»Danke. Sie wollen also Ihre eigene kleine Kanzlei aufmachen?«
»Ich denke noch darüber nach. Es wird hart sein, jedenfalls in der ersten Zeit. Aber wenn ich hart arbeite und die Leute anständig behandle, dann bekomme ich bestimmt auch bald genügend Mandanten.«
Sie lächelt aufrichtig und schüttelt langsam den Kopf. »Das ist ja wundervoll, Rudy. Wie mutig. Ich glaube, die Branche braucht mehr junge Leute wie Sie.«
Ich bin so ziemlich das letzte, was die Branche braucht – ein junger Geier mehr, der durch die Straßen streift und dafür zu sorgen versucht, daß irgend etwas passiert, damit er aus Leuten, die selbst nichts haben, ein paar Dollar herausquetschen kann.
»Sie fragen sich vielleicht, weshalb ich gekommen bin«, sage ich und trinke einen Schluck Kaffee.
»Ich freue mich so, daß Sie gekommen sind.«
»Ja, also, es ist wirklich schön, Sie wiederzusehen. Aber ich wollte mit Ihnen über Ihr Testament sprechen. Ich konnte letzte Nacht kaum schlafen, weil ich immer an Ihren Nachlaß denken mußte.«
Ihre Augen werden feucht. Sie ist gerührt.
»Ein paar Dinge sind besonders problematisch«, erkläre ich mit meinem besten Anwaltsstirnrunzeln. Ich hole einen Stift aus der Tasche und halte ihn hoch, als wollte ich mich ins Gefecht stürzen. »Erstens, und bitte verzeihen Sie, daß ich das sage, aber es macht mir wirklich zu schaffen, wenn ich erleben muß, wie Sie oder irgendein anderer Mandant zu so drastischen Maßnahmen gegen seine Angehörigen greift. Ich finde, das ist etwas, worüber wir ausführlich reden sollten.« Ihre Lippen verspannen sich, aber sie sagt nichts. »Zweitens, und auch hier müssen Sie mir verzeihen, aber ich könnte nicht mit mir selbst als Anwalt leben, wenn ich das nicht erwähnen würde, habe ich große Probleme damit, ein Testament oder eine andere Verfügung aufzusetzen, die den größten Teil eines Nachlasses einem Fernsehstar zukommen läßt.«
»Er ist ein Mann Gottes«, sagt sie mit Nachdruck, sofort bereit, die Ehre des Reverend Kenneth Chandler zu verteidigen.
»Ich weiß. Gut. Aber weshalb wollen Sie ihm alles geben, Miss Birdie? Weshalb nicht fünfundzwanzig Prozent, einen vernünftigen Anteil?«
»Er hat eine Menge Unkosten. Und sein Jet ist schon ziemlich alt. Das hat er mir alles erzählt.«
»Okay, aber der Herr erwartet doch sicher nicht von Ihnen, daß Sie für die Unkosten des Reverend aufkommen, oder etwa doch?«
»Was der Herr von mir erwartet, ist meine Sache und geht Sie nichts an.«
»Natürlich nicht. Ich will ja nur darauf hinaus, und ich bin sicher, das wissen Sie auch, Miss Birdie, daß schon eine Menge von diesen Burschen ziemlich tief gefallen sind. Sie wurden mit Frauen erwischt, die nicht ihre Ehefrauen waren, oder man ist ihnen drauf gekommen, daß sie Millionen für ein schönes Leben verschwendet haben – Häuser, Autos, Urlaubsreisen, schicke Anzüge. Viele von diesen Leuten sind Ganoven.«
»Er ist kein Ganove.«
»Das habe ich auch nicht behauptet.«
»Was wollen Sie dann damit andeuten?«
»Nichts«, sage ich und trinke nun doch einen großen Schluck. Sie ist nicht wütend, aber es fehlt nicht viel daran. »Ich bin hier als Ihr Anwalt, Miss Birdie, das ist alles. Sie haben mich gebeten, ein Testament für Sie aufzusetzen, und es ist meine Pflicht, mich mit allen Punkten dieses Testaments eingehend zu beschäftigen. Diese Verantwortung nehme ich sehr ernst.«
Die zahllosen Fältchen um ihren Mund herum entspannen sich, und ihr Blick wird wieder weicher. »Wie nett«, sagt sie.
Ich nehme an, viele reiche alte Leute wie Miss Birdie, besonders diejenigen, die die Wirtschaftskrise durchlitten und ihr Geld selbst verdient
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