Der Regenmacher
haben, würden ihr Vermögen mit Hilfe von Buchhaltern, Anwälten und unfreundlichen Bankern wie ihren Augapfel bewachen. Aber nicht Miss Birdie. Sie ist naiv und vertrauensselig wie eine arme Witwe, die von einer Rente lebt. »Er braucht das Geld«, sagt sie, trinkt einen Schluck und mustert mich ziemlich argwöhnisch.
»Können wir über das Geld reden?«
»Warum wollt ihr Anwälte immer über Geld reden?«
»Aus einem sehr guten Grund, Miss Birdie. Wenn Sie nicht vorsichtig sind, dann bekommt die Regierung einen großen Batzen davon. Es gibt gewisse Möglichkeiten, das Geld anzulegen und den Nachlaß so zu planen, daß Sie eine Menge Steuern sparen können.«
Das ärgert sie. »Ich verstehe nichts von diesem juristischen Kram.«
»Deshalb bin ich ja hier, Miss Birdie.«
»Ich nehme an, Sie wollen, daß in dem Testament irgendwo Ihr Name steht«, sagt sie, immer noch mit dem juristischen Problem beschäftigt.
»Natürlich nicht«, sage ich, bemüht, einen schockierten Eindruck zu machen und gleichzeitig meine Überraschung zu verbergen, daß ich ertappt worden bin.
»Die Anwälte versuchen immer, ihren Namen in meine Testamente zu bekommen.«
»Das tut mir leid, Miss Birdie. Es gibt eine Menge unehrliche Anwälte.«
»Genau das hat Reverend Chandler auch gesagt.«
»Das bezweifle ich nicht. Hören Sie, ich will nicht sämtliche Einzelheiten wissen, aber könnten Sie mir sagen, ob das Geld in Grundbesitz angelegt ist, in Aktien oder anderen Wertpapieren oder ob es sich um Barvermögen handelt? Für die Nachlaßplanung ist es äußerst wichtig, zu wissen, wie das Geld angelegt ist.«
»Es befindet sich alles an einem Ort.«
»Okay. Wo?«
»In Atlanta.«
»Atlanta?«
»Ja. Das ist eine lange Geschichte, Rudy.«
»Weshalb erzählen Sie sie mir nicht?«
Anders als bei unserem gestrigen Gespräch in Cypress Gardens steht Miss Birdie jetzt nicht unter Zeitdruck. Sie hat nichts anderes zu tun. Kein Bosco weit und breit. Sie hat kein Abräumen nach dem Lunch zu beaufsichtigen, braucht nicht bei Brettspielen den Schiedsrichter zu spielen.
Also dreht sie langsam ihre Kaffeetasse in den Händen, starrt vor sich auf den Tisch und denkt nach. »Niemand weiß etwas davon«, sagt sie sehr leise, wobei ihr Gebiß ein-oder zweimal klickt. »Jedenfalls niemand in Memphis.«
»Weshalb nicht?« frage ich, vielleicht eine Spur zu eifrig.
»Meine Kinder wissen nichts davon.«
»Sie wissen nichts von dem Geld?« frage ich ungläubig.
»Oh, sie wissen über einen Teil davon Bescheid. Thomas hat schwer gearbeitet und eine Menge gespart. Als er vor elf Jahren starb, hat er mir fast hunderttausend an Ersparnissen hinterlassen. Meine Söhne, und vor allem ihre Frauen, sind überzeugt, daß es jetzt ungefähr fünfmal soviel ist. Aber sie wissen nichts von Atlanta. Soll ich Ihnen noch einen Kaffee machen?« Sie ist bereits auf den Beinen.
»Gern.« Sie trägt meine Tasse zum Tresen, gibt kaum mehr als einen halben Teelöffel voll Kaffee hinein und lauwarmes Wasser nach, dann kehrt sie an den Tisch zurück. Ich rühre darin herum, als erwartete ich den phantastischen Duft eines Cappuccinos.
Unsere Blicke begegnen sich, und ich bin ganz Mitgefühl.
»Hören Sie, Miss Birdie. Wenn das alles für Sie zu schmerzlich ist, können wir ja auf die Einzelheiten verzichten und uns auf die wichtigsten Punkte konzentrieren.«
»Es ist ein Vermögen. Was sollte daran schmerzlich sein?«
Nun, das ist genau das, was ich denke. »Gut. Dann sagen Sie mir, ganz allgemein, wie das Geld angelegt ist. Wichtig ist vor allem etwaiger Grundbesitz.« Das stimmt. Erbschaftssteuern werden in der Regel immer erst mal aus Barvermögen und leicht flüssigzumachenden Investitionen beglichen. An den Grundbesitz gehen die Leute nur, wenn es sich gar nicht mehr anders machen läßt. Hinter meinen Fragen steckt also mehr als bloße Neugierde.
»Ich habe nie jemandem etwas über das Geld erzählt«, sagt sie, immer noch mit sehr leiser Stimme.
»Aber gestern haben Sie gesagt, Sie hätten mit dem Reverend Chandler darüber gesprochen.«
Es folgt eine lange Pause, während deren sie ihre Tasse auf der Resopalplatte hin und her dreht. »Ja, das stimmt. Aber ich glaube nicht, daß ich ihm alles gesagt habe. Vielleicht habe ich ein bißchen gelogen. Und ich habe ihm ganz bestimmt nicht gesagt, von wem es stammt.«
»Okay. Und von wem stammt es?«
»Von meinem zweiten Mann.«
»Ihrem zweiten Mann?«
»Ja. Tony.«
»Thomas und Tony.«
»Ja. Ungefähr
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